Montag, 17. September 2007

Vorlesung, Ärzteweiterbildung

Ich und Welt – Konstrukte unseres Gehirns?
(Referat zur Informationslücke)

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wollen uns heute damit befassen, was die Grundlage unseres Urteilens und Handelns im Alltag und in unserem Beruf ist. Seit Immanuel Kant (1724 – 1804), seit 200 Jahren also, durchdringt eine bestimmte Art von Weltanschauung das Denken der westlichen Gesellschaft und strahlt von da aus über die ganze Erde. Durch seinen zwingenden Charakter bewirkt es einerseits Faszination in seinen Möglichkeiten, andererseits Unfreiheit gerade durch diese Faszination. Durch dieses Denken ist ein Welt – und Menschenbild zustande gekommen, durch das wir einerseits in Unfreiheit gefesselt werden. Andererseits werden wir auf seiner Grundlage zutiefst verunsichert und aus der Welt des Wirklichen hoffnungslos entwurzelt.
Versuchen wir das Zustandekommen dieses Welt- und Menschenbildes zu durchschauen:
Das Entstehen unserer Welt wird durch das heute anerkannte Standardmodell der Kosmologie begründet. Darin wird von einem sehr heissen und dichten Frühzustand des Universums ausgegangen. Er wird in der Form des Urknalls, des Big Bang, beschrieben. Das Modell bestätigt die folgenden drei Beobachtungen:
1. Häufigkeit und Zustandekommen der Elemente durch die primordinale Nukleosynthese. Gemäss Modellvorstellung war das Universum so heiss, dass Materie in Quarks und Glutonen aufgelöst war. Durch Expansion und Abkühlung entstanden Protonen und Neutronen. Nach etwa einer Sekunde verschmolzen aus Protonen und Neutronen die Kerne leichter Elemente: Wasserstoff, Helium und Litium.
2. Gemäss Modell wurde dieses undurchsichtige, ionisierte Gas etwa 300'000 Jahre nach dem Urknall transparent. Zur gleichen Zeit entstand die kosmische Hintergrundstrahlung.

3. Die Expansion des Universums. Aufgrund der stetigen, allseitigen Ausdehnung glaubt man das Alter des Universums nachrechnen zu können. Mittels der Hubble – Konstante kommt man auf ein Alter von ca. 12,5 bis 20 Milliarden Jahren.

Das ist die Zeit, die der Evolution der Natur und des Menschen bis heute, also der Epoche der Postmoderne zur Verfügung stand. (Nebenbei bemerkt ist das die selbe Rechnung, wie wenn man die Grösse eines Menschen berechnen würde, der bei Geburt 50 cm lang ist und im ersten Monat 3 cm wächst. Mit dieser Konstante wäre er dann nach einem Jahr 86 cm lang, nach zwei Jahren 122 cm, nach drei Jahren 158 cm ... setzen sie die Rechnung ruhig selber fort). Eine gewisse Absurdität ist dieser Berechnung ja nicht abzusprechen.
Die Evolution wurde, wohlverstanden immer gemäss der Theorie, durch die Selbstorganisation der Materie, das heisst durch Rückkoppelungsprozesse und Wechselwirkungen der Urelemente, in Gang gesetzt.
So entstand die Mineralwelt, also die anorganische Welt der Elemente aus Atomen und Molekülen.
Durch die unendliche Selbstorganisation in der Wechselwirkung zwischen Atomen und Molekülen entstanden natürlich immer kompliziertere Verbindungen, die in die Struktur der Eiweissmoleküle mündeten. Damit war in der Form der Algen die Grundlage für das organische Leben gelegt, also für das Entstehen der Pflanzenwelt und der Tierwelt. Durch das Bedürfnis nach Nahrung entwickelte sich in der Tierwelt durch die Wechselwirkung zwischen Umwelt und Individuum und zwischen den Individuen ein begierdehaftes und triebhaftes Innenleben, das in der Pflanzenwelt noch nicht vorhanden ist. Damit erwachte das Empfindungsleben als Grundlage des seelischen Erlebens. Im rein darwinistischen Sinne begann der Kampf ums Überleben des Stärkeren, was der Evolution zu Impulsen verhalf, die zu immer raffinierteren Anpassungsmethoden führten. Bis es zum Evolutionssprung des menschlichen Denkens und Vorstellens reichte. Einen Vergleich zwischen der Ontogenese und Phylogenese des Denkens wollen wir später anstellen.

Jetzt betrachten wir vorerst das Zustandekommen des menschlichen Zusammenlebens, der Bildung von Gesellschaften, Kulturen und der Gesetze die das Zusammenleben regeln.
Die Pflanzen, als Produzenten der Nahrungsgrundlage, und die Tiere, als die geschilderten Empfindungswesen, regeln ihr Zusammenleben im Fliessgleichgewicht der Biozönose. Wie hier Lebens- und Todeskräfte zusammenwirken und durch ein übergeordnetes Regulativ in einem gesunden Fliessgleichgewicht gehalten werden, ist ebenfalls Gegenstand späterer Betrachtungen.
Die systemischen Theorien, die der modernen Gehirnforschung, der Biologie, der Soziologie, der Psychologie, ja heute eigentlich allen Wissenschaften zu Grunde liegen, gehen von einem einheitlichen Paradigma einer weiteren Evolution aus. Sie nehmen an, dass sich durch das Prinzip des ‚survivel of the fitest‘ aus der Mentalebene I, der Empfindungsebene der höheren Säugetiere die Mentalebene II des Verstandesdenkens des Menschen herausgebildet habe. Dies soll durch reentrente Wechselwirkungen zwischen den Gehirnerven, Gehirnzentren und den Nervenzentren des motorischen und sensiblen Nervensystems einerseits und den Genen und Hormonen andererseits geschehen sein.
Der Mensch, in seiner heutigen Erscheinung, wird als psychisches System, das einzig und allein ein subjektives Bewusstsein haben kann, determiniert. Das Zustandekommen des Ich-Bewusstseins kennzeichnet dieses als reine Illusion. In der Interaktion der psychischen Systeme untereinander entstehen die Regeln des Zusammenlebens in der Form von intersubjektiven Konventionen. Diese werden als Paradigmen zu kategorischen Imperativen und als diese einerseits verinnerlicht, andererseits auf die anderen Menschen projiziert, denen wir ein ebensolches subjektives Sein, wie uns selber zuschreiben. So kommt gemäss der Systemtheorie, der die Methode des Konstruktivismus zu Grunde liegt, das Gewissen zustande. Dieses ist also relativ und passt sich der jeweiligen Zeitepoche und der jeweiligen Sozietät an.
So beschreibt der systemische Konstruktivismus das Zustandekommen von Natur, Kultur, Menschenrechten und Gewissen.
Unser Ich-Bewusstsein, das Du–Bewusstsein ebenso wie unser Weltbewusstsein und unser Gottesbewusstsein sind folglich Konstrukte, die durch Neuronenfeuerungen in unseren Gehirnen zustande kommen. Die Gehirnforschung legt die Zentren, die diese Konstrukte bewirken durch die Verfahren der Positronen – Emissions – Tomographie (PET), Einzel – Photonen - Emissions – Computer – Tomographie (SPECT), Magnetresonanz – Tomographie (MRT) und die Magnetenzephalographie (MEG) fest.

So belegt die Wissenschaft, wie aus der Materie Geist entsteht: Die Qaulia der Menschenrechte, des Gewissens, der Regeln des Zusammenlebens, die Naturgesetze sind Konstrukte, entstanden aus den reentrenten Wechselwirkungen unserer Gehirnnerven und Gehirnzentren und werden zu abstrakten Normen erhoben, die man in die Menschen und in die Menschheit als seinsgegeben von aussen projiziert.

Naturgesetze werden auch in den Naturwissenschaften durch intersubjektive Kommunikation als Paradigmen determiniert. So denkt man sich die Naturgesetze abstrakt zu den Naturerscheinungen hinzugefügt. Sie bestimmen unser Denken und begrenzen es. Die Denkfabriken bestimmter amerikanischer Universitäten determinieren, was denkbar sein darf und was nicht. In der Medizin ist man heute so weit, einen ‚evidence – space‘ einzurichten, der als Kontrollinstrument die Resultate unseres Denkens legitimieren soll. Auf diese Weise wird unser Denken eingeklinkt in einen Cyber-Begriffszusammenhang, der aus lauter Konstrukten besteht. Diese werden in Paradigmen determiniert und zu einer relativen Wirklichkeit erhoben.

So weit ist auf den ersten Blick alles klar.
Auf den zweiten Blick drängt sich dem gesund empfindenden Menschen die Frage auf :
Gibt es denn keine Welt der Wirklichkeit, bin ich als ‚Ich‘ tatsächlich ebenso nur Konstrukt, wie mein Mitmensch. Wie steht es mit dem Konstrukt meiner Gottesvorstellung, sofern ich eine solche habe. (Der Atheist steht da tatsächlich näher an der Wirklichkeit, als der Mensch, der sich durch die praktische Vernunft einen Glauben konstruiert. Oder sich einen Glauben als Dogma, das er als kategorischen Imperativ aufzunehmen hat, konstruieren lässt.)

Wer sich diese Fragen auf Grund seines Nachdenkens stellt, gerät in eine Identitätskrise. Er kann sich daraus herausmanövrieren, in dem er sein Denken ebenfalls als ein Konstrukt abtut und sich den Drang des Fragens abgewöhnt. Das ist die Verdrängung des Denkdranges. Die findet heute in der Form der Lust – und Spassgesellschaft statt, deren Oberflächlichkeit letztlich zu den gesellschaftlichen Problemen von Sucht, Depression – und Gewalt führt.
Luhmann, einer der führenden Theoretiker der systemischen Wissenschaften sagte vor seinem Tod:
„Es gibt viel Hoffnung, aber nicht für uns.“
Wahrscheinlich will er damit sagen, dass wir uns ja nicht so ernst zu nehmen brauchen. Da stellt sich aber die folgende Frage:
Wie sollen wir den Mitmenschen, unseren Arbeitskollegen, unsere Arbeitskollegin, unsere Patienten und ihre Angehörigen ernst nehmen, wenn wir uns selber nicht ernst nehmen.
Der erste Schritt im Durchschauen des postmodernen Welt – und Menschenbildes hat uns also zur Sinnfrage geführt.

Als zweiten Schritt wollen wir der Frage nachgehen, ob es nicht doch eine Wirklichkeit gibt, die wir empirisch belegen können.
Vorerst aber möchte ich aufzeigen, welche Mittel eingesetzt werden, um uns davon abzuhalten, diesen zweiten Schritt zu tun. Eines dieser Mittel ist AIDA. Leider hat diese AIDA nichts mit der wunderbaren Oper von Verdi zu tun. Nein, diese AIDA ist ein Instrument der Werbepsychologie. Ich persönlich bin der Meinung, dass durch die Paradigmatisierung der Wissenschaft, die durch amerikanische Denkfabriken durchgeführt wird, eine regelrechte Denkdressur der Menschheit stattfindet. Es stehen wahrscheinlich nicht nur, aber auch nicht zuletzt, gewaltige finanzielle Interessen hinter dieser Denkdressur. Dass sich die Werbepsychologie der Resultate dieser Denkfabriken bemächtigt und sich die Denkfabriken der Werbepsychologie bedienen, liegt auf der Hand. Es besteht eine Art reentrentes Rückkoppelungssystem zwischen beiden.
Was bedeutet AIDA überhaupt?

A- Attention I – Interest D – Desire A – Action

Was spielt denn AIDA für eine Rolle in Bezug auf die Resultate der Denkfabriken, z. B auch in Bezug auf den ‚evidence-space‘? Diese AIDA will:
Attention – Aufmerksamkeit erzeugen durch das attraktive Angebot, dass uns eigenes Denken und die Sicherheit unserer Erkenntnis (der Evidenz) des unmittelbar Gegebenen abgenommen wird. Das entbindet uns von einem Teil unserer schweren Verantwortung und damit vor einer ev. Haftung.
Interest – Interesse dafür wecken, schnell und sicher zu einer abgesicherten ,Erkenntnis‘ zu kommen.
Desire - Den Wunsch, an einem solchen Konzept, wie es der ‚evidence – space‘ ist, teilzuhaben.
Action - Der Entschluss, dabei mitzumachen und die Tat, da aktiv einzusteigen.

Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen der Gehirnforschung und AIDA? AIDA will mich ja für ein Konzept gewinnen. Es ist in diesem Fall ein wissenschaftliches Konzept. Es kann in einem anderen Fall ein politisches Konzept sein oder ein wirtschaftliches oder ganz einfach ein Verkaufskonzept. Worauf zielt AIDA ab. AIDA will uns faszinieren. Und genau hier haben wir nun den Zusammenhang mit der Gehirnforschung. Der Gehirnforscher und die Verkaufspsychologie sprechen von einem ‚Faszinationsregler‘ in unserem Zwischenhirn. Sie kennen die ganze Hirnphysiologie. Sie kennen sie um vieles besser als ich. Dennoch möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, wovon der ausgeht, der mich faszinieren will:
Er geht davon aus, dass in unserem Gehirn der übergeordnete Verhaltensregler, der Faszinationsregler sitzt. Er sitzt im Zwischenhirn, dieser Faszinationsregler sitzt im Zwischenhirn.
Blicken wir kurz in unser Gehirn. Der kanadische Gehirnforscher, Mac Lean, spricht vom dreieinigen Gehirn. Seltsamer Ausdruck für unser Gehirn. Der Begriff ‚dreieinig‘ erinnert uns an den dreieinigen Gott. Es wird wohl nicht so sein, dass der Naturwissenschafter im Gehirn einen Ersatzmythos für die trinitäre Erscheinungsweise Gottes sieht?
Worin besteht also dieses dreieinige Gehirn? Es ist das vorerst einmal der Hirnstamm mit dem verlängerten Rückenmark (medulla oblongata), der Brücke (Pons), dem Cerebellum (Kleinhirn) und dem Mittelhirn. Mac Lean nennt dieses Gehirn das Reptiliengehirn, da es der am wenigsten weit entwickelte Teil des Gehirns ist. Es wird als Kontrollzentrum unbewusster, gefühlloser, roboterähnlicher Programme, die dem Reptilienverhalten ähneln, geschildert. Dann folgt das Zwischenhirn, welches er als Altsäugergehirn bezeichnet und als den Versuch der Natur, dem Reptiliengehirn eine Denkkappe zu verpassen.
Was geschieht denn da?
Das Zwischenhirn umschliesst den Hirnstamm wie einen Saum (Limbus), deswegen wird es auch als ‚limbisches System‘ bezeichnet. Mac Lean nennt es ‚Altsäugergehirn‘. Es ist in der Entwicklung schon weiter vorangeschritten als das Reptiliengehirn. Es verbindet die Informationen, die aus der Aussenwelt verarbeitet werden, mit denjenigen, die aus der Innenwelt des Menschen stammen. Der Mensch ist seiner Organnatur gemäss ein Wesen, das sich gerne wohlfühlt, das sich das Leben gerne bequem und angenehm einrichtet. Wir stecken ja heute in der postmodernen Gesellschaft des Wellness-Zeitalters.
Wenn ich nun als Moderator, Referent, Politiker, Manager, Wissenschafter oder Verkäufer von aussen ein Bild, eine Situation entwerfe, die in Ihrem Innern auf Zuspruch trifft, dann impulsiert dieser Zuspruch aus der Innenwelt der Bedürfnisse, der Instinkte und Triebe der Organe meine Vorstellungswelt im Grosshirn, dem Neusäugergehirn. Es entstehen Vorstellungen mit den entsprechenden Sympathie- oder Antipathie-Gefühlen im Hintergrund.
Da haben wir es also, dieses dreieinige Gehirn nach Mac Lean: das Reptiliengehirn (verantwortlich für unser Reflex- und Instinktverhalten), dann das Altsäugergehirn, dem durch die Verbindung der Aussenwelt mit der Innenwelt das emotionale Erleben des Menschen entspringt und dann das Neusäugergehirn, den Neocortex, in dem die Spuren aller unserer Erfahrungen vor- und nachgeburtlich in den sogenannten globalen Speicherkarten gespeichert sein sollen und in Wechselwirkung mit den beiden anderen Gehirnteilen stehen und durch die Emotionen aus der Innenwelt zum Impuls von Vorstellungen werden, die uns für oder gegen das Konzept oder das Produkt entscheiden lassen.
Diese Automatismen spielen sich aber nur ab, insofern wir uns faszinieren lassen.

Im Etymologie-Duden (Herkunftswörterbuch) findet sich folgende Wortherkunft: faszinieren – „entzücken, bezaubern“/ im 18. Jh. aus lat. Fascinare – „beschreien, behexen“ entlehnt, dessen Vorgeschichte nicht eindeutig geklärt ist. Dazu das Substantiv Faszination – „ Bezauberung“ (aus lat. Fascinatio „Beschreiung, Behexung“).
Die Paradigmen, von denen Mac Lean nur einer von vielen Vertretern ist [andere sind z. B. die Professoren Edelmann und Tononi (Gehirn und Geist) oder die Chaos – Forscher Briggs und Peat (Die Entdeckung des Chaos), auch Niklas Luhmann (der deutsche Vordenker der Systemtheorie, die aus der Chaos-Theorie hervorgeht) oder Michel Foucault (Sexualität und Wahrheit), Andrew Newberg/ Eugene D’Aquili/ Vince Rause (Der gedachte Gott) gehen ausgesprochen oder unausgesprochen von dieser Aussage aus], diese Paradigmen also sagen:
„Unser menschliches Gehirn ist gleichsam die Zusammenfassung seiner evolutionären Vergangenheit. Wir sind Erben der Struktur und Organisation dreier grundlegend verschiedener Gehirne, die wie drei miteinander verschaltete biologische Computer funktionieren, wobei jeder seine eigene Subjektivität und Intelligenz, seine eigenen Zeit- und Raumvorstellungen sowie sein eigenes Gedächtnis besitzt.“
Das psychische System, als das der Mensch der Postmoderne bezeichnet wird, soll also wie ein Computer funktionieren. Durch Input und Output. Und tatsächlich, auf der Mentalebene I und auf der Mentalebene II, auf der Ebene des kausalen und finalen Denkens, insofern wir nicht selber zu denken beginnen, lassen wir uns wie bio-psychische Systeme faszinieren. Da sind wir aber nicht wirklich Mensch. Mensch sind wir erst dort wirklich, wo wir uns solchen Erscheinungen gegenüber eben nicht faszinieren lassen, sondern sie als Gegebenheiten unserer Wahrnehmungswelt betrachten, über die wir nachdenken und über die wir ein eigenständiges Urteil fällen können.
Täuschen Sie sich bitte nicht darüber hinweg, was solche Paradigmen für eine Wirkung haben auf unser Alltagsdenken. Denn in den Denkfabriken, den Universitäten wird das Gedankengut geprägt, das in unsere Ausbildungen, Mittelschulen, Primarschulen und Kindergärten und damit in die ganze Gesellschaft sinkt. Das geschieht durch die Ausbildung der Lehrkräfte, die nach den Paradigmen der Wissenschaft ausgebildet werden. Das geschieht heute durch die verordneten Unterrichtsmodule. Die Menschen werden heute moduliert.
Wir müssen uns aber von den Gehirnforschern und Systemtheoretikern nicht blenden lassen, nur weil sie sich tiefer in gewisse Paradigmen hineingearbeitet haben als wir. Denn, wenn wir da etwas genauer hinschauen, liegt diesen Paradigmen eine Denkweise zu Grunde, die vor 200 Jahren die Menschen aufgewühlt hat. Es ist die Denkweise von Immanuel Kant, der in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ sagt, dass die Welt unsere Vorstellung sei. Dass die Gegenstände, die Objekte (l’objet = das uns Entgegengeworfene) nicht erkennbar seien, sondern dass diese nur unsere Vorstellungen seien. Sie, die Dinge an sich, seien nicht erkennbar, denn auf unsere Sinne würden nur die elekromagnetischen Reize, die diese Gegenstände aussenden, wirken. Wir würden in unseren Gehirnen diese Reize verarbeiten und dann als das subjektiv erfahrene Ding (wie es für uns ist!!) in die Welt hinausprojizieren. Es ist nichts anderes als das, was heute die postmodernen Gehirnforscher erzählen. Es geht nicht darum diese Forschungsresultate lächerlich zu machen, nein, die wollen wir ernst nehmen und die können den Menschen von grossem Nutzen sein. Nein es geht um die Interpretation dieser Forschungsresultate.
Wir wollen nun diese Sache wirklich genauer durchdenken und uns bemühen, nicht dem Faszinationsregler zu unterliegen. Dieser wird durch die Überzeugungskraft solcher Paradigmen angesprochen. Wir wollen eine Anstrengung erbringen und unsere durch Erziehung und Gesellschaft geprägten Vorstellungen, die so schwer sich verändern lassen, in Bewegung versetzen.

Seit Kant beherrscht die Ansicht unser Weltbild, dass alles subjektiv sei. Diese Anschauung ist heute auf dem vorher beschriebenen Weg bis in den kleinsten Geist eingeflossen. Dass die Wirklichkeit nicht erkennbar sei, muss erschütternd wirken auf jeden Menschen, der denkt und sich nicht automatenhaft faszinieren lässt von Anschauungen. Dadurch, dass alles subjektiv sein soll, wird auch alles relativ. Auch die Wahrheit. Dadurch, dass alles subjektiv sein soll, muss sich alles in Vorstellungen auflösen. Konkret heisst das Folgendes:
Unsere Sinne werden durch elektromagnetische Wellen oder Photonen affiziert. Sie leiten die Impulse weiter in unser Gehirn. Dort werden sie in den reentrenten Wechselwirkungen der Neuronen und Gehirnzentren verarbeitet und dann vom Gehirn als Ganzheit in der Form von Vorstellungen in die Welt und auf den anderen Menschen projiziert. Wenn wir aber die Sache genau durchdenken, dann wird die Geschichte recht unheimlich. Wenn das nämlich so wäre, dann müssten auch unsere Sinne, unsere Gehirnnerven und Gehirnzentren ebenso ‚nur‘ Vorstellungen sein, wie der Stuhl auf dem Sie sitzen, wie die Apparate, mit denen wir unsere wissenschaftlichen Untersuchungen vornehmen und wie die Quarks und Glutonen des Urknalls. Vorstellungen, so sagt selbst der abgebrühteste Systemtheoretiker und Materialist sind geistig, sie sind aus der Materie entstandener Geist. Mit dieser Aussage muss sich aber, konsequent gedacht, alles in Geist auflösen. Der Materialist wird dadurch zum Spiritualisten. Es müsste also ein undefinierbares, weil nicht erkennbares, also transzendentales, geistiges Wesen existieren, das alle diese unsere Illusionen bewirkt. Der Glaube nennt dieses ausserideelle und nicht erkennbare Wesen ‚Gott‘. Das ist ein Resultat von Kants praktischer Vernunft.
Falls es aber doch Materie gibt, so muss man sich die naheliegende Frage stellen:
Wie kommt die Materie dazu, sich selber zu organisieren und wie kommt sie dann letztlich dazu, über sich selber nachzudenken, so wie das der Mensch doch tut?
Der kantisch und systemisch indoktrinierte Wissenschafter sagt nun: Das kann man nicht wissen!
Diese Aussage ist aber der Tod aller Forschung und Wissenschaft. Damit geben wir uns nicht zufrieden, sondern wir suchen einen Ansatz der uns weiterführt und ein Schritt ist, heute demnach unser zweiter Schritt ist, zur Erkenntnis der Wirklichkeit:
1. Das Problem der Erkenntnis der Wirklichkeit wird zum Problem der Naturwissenschaft, in dem sich aus dem Unmittelbar–Gegebenen, die Frage nach seiner Gesetzmässigkeit stellt. Das Unmittelbar–Gegebene ist vor allem Denken darüber gegeben. Diesem Unmittelbar – Gegebenen steht also die Fähigkeit des Denkens gegenüber. Diese Fähigkeit wird durch die Wahrnehmung angestossen. Anders gesagt, die Fähigkeit des Denkens stösst sich an der Wahrnehmung. Sie ist also rein empirisch ausgerichtet.
2. Wir wollen den Sachverhalt an diesem Gegenstand (Salzkristall) nachvollziehen.
Was nehmen wir wahr? Geraden. Senkrechte Geraden, waagrechte Geraden, Geraden die nach hinten verlaufen, Flächen, würfelartige Formen. Da haben wir über das Denken schon Begriffe aus dem allgemeinen Begriffszusammenhang an die Wahrnehmungen herangetragen. Wir analysieren. Das Denken wird aber von den Wahrnehmungen dazu angestossen, die Begriffe im Gesamtzusammenhang zu suchen. Das ist die erste Bewegung des Denkens, die Suchbewegung der Analyse. Die zweite Bewegung der Analyse ist das Heranführen des Begriffs aus dem allgemeinen Weltzusammenhang an die Wahrnehmung und die Prüfung, ob der im Gesamtzusammenhang gefundene Begriff zur Wahrnehmung passt. Die Analyse ist Deduktion. Ohne die Begriffe ist das Unmittelbar–Gegebene reines Chaos. Das Denken strukturiert durch die Begriffe, die es an das Unmittelbar–Gegebene heranführt, die Wahrnehmung in unserem Bewusstsein ihren Gesetzmässigkeiten gemäss. Die Gesetzmässigkeiten sind aber der Wahrnehmung inhärent. Sie geben der Wahrnehmung die Form, die wir durch das Denken nachvollziehen und als solche in Form des Begriffs erkennen. Das Unmittelbar–Gegebene steht im allgemeinen Weltzusammenhang drin. Die Geraden bilden in ihrem Zusammenhang die Flächen, die Flächen die Würfel, die Würfel den Kristall, die Kristalle die Mineralwelt. ‚Mineralwelt‘ ist der Oberbegriff für die anorganischen Erscheinungen, zu diesem Oberbegriff finden wir den Begriff des Seins, für den Begriff des Seins finden wir dem Begriff, aus dem heraus alle Begriffe gefunden werden. Das ist der Begriff des Begriffs oder das Begreifen des Begriffs. Dies Wiederum ist die Fähigkeit unseres Denkens. Darüber muss man immer wieder nachdenken. Es ist so, der Begriff des Begriffs ist die Fähigkeit unseres Denkens. Durch sie können wir die Begriffe erst an die Wahrnehmung heranführen und dadurch aus der Wahrnehmung in unser Bewusstsein aufnehmen.
Was ist geschehen?
Wir haben aus der Wahrnehmung die ihr inhärente geistige Seite, den Begriff durch das Denken herausgelöst, indem wir ihn durch Deduktion aus dem allgemeinen Begriffszusammenhang der Welt an die Wahrnehmung herangeführt haben. Er wird an der Wahrnehmung geprüft, ob er passt. Passt er, dann ist der Begriff individualisiert. Zur gleichen Zeit ist die Wahrnehmung für unser Bewusstsein in den allgemeinen Begriffszusammenhang gestellt, das heisst universalisiert. Wir haben den individualisierten Begriff wieder zurückgeführt in den allgemeinen Weltzusammenhang. Wir haben die Synthese durchgeführt. Die Zusammenschau durch das Denken. An der Erfahrung haben wir den Begriff geprüft, analysiert und durch Induktion wieder in den Gesamtzusammenhang gestellt. Wenn diese Bewegungen der Analyse, d.h. dem Herauslösen aus dem gesamten Begriffszusammenhang und der Synthese, d.h. dem Wiedereinfügen in den Gesamtzusammenhang der Begriffe vollbracht sind, findet Evidenz, d.h. unmittelbare Einsicht, bzw. Erkenntnis statt. Wir kennen dieses Aha-Erlebnis als das belebende Element, das uns im Forschen motiviert und weiterführt. Wir haben eine Vorstellung gebildet. Diese bleibt in unserem Gedächtnis. Den Begriff haben wir mit anderen Begriffen aus weiteren Wahrnehmungen durch das Denken in einen Zusammenhang gebracht. Dies ist geschehen dadurch, dass wir aus der Verbindung von Begriffen Urteile gebildet haben. Die Urteile haben wir wiederum zu Schlüssen verbunden. Die Schlüsse sind nun aber wieder Begriffe auf einer höheren Stufe.
Durch die der Wahrnehmung inhärente Gesetzmässigkeit wird unser Denken angeregt in der Hierarchie der Begriffe als reines Denken bis zum Begriff des Seins aufzusteigen. Die nächst höhere Stufe kann nur die des Begriffs von den Begriffen sein, was die Fähigkeit des Denkens ist. Da wird unser Denken, das wir selber hervorgebracht haben, selbst zur Wahrnehmung.Somit haben wir hier im Denken des Denkens die Gegenüberstellung des reinen Denkens und der reinen Beobachtung. Da sind wir wirklich im Geiste tätig. Beobachten und Denken sind also Grundinstrumente jedes Menschen, aber insbesondere des Wissenschafters. Der Anstoss zur Beobachtungs-Aktivität und zur Denkaktivität kommt aber aus der Erfahrung. In Beobachten und Denken sind wir empirisch tätig.
Es gibt keinen transzendentalen, ausserideellen Weltzusammenhang. Der Wissenschafter hat durch die individuelle Anwendung der Fähigkeit des Denkens, durch den Denkwillen also, das allgemeine Naturgesetz erkannt, das im Unmittelbar-Gegebenen real wirksam ist. Die Erkenntnis ist folglich ein subjekt-allgemeiner Vorgang.

3. Einer wirklich naturwissenschaftlichen Erkenntnis muss der Kreislauf der Induktion und Deduktion zu Grunde liegen, so wie er oben dargestellt ist. Das Unmittelbar–Gegebene ist, wie wir gesehen haben, für unsere Sinne ‚Wahrnehmung‘ und für unser Denken ‚Begriff‘. Wenn wir jetzt, von der Erfahrung ausgehend, nur den induktiven Teil der Erkenntnis ausführen, so führt das nicht zu einem Naturgesetz, sondern nur zu statistischen Erhebungen auf Grund der Erscheinungen, die man im günstigsten Fall als ein empirisches Gesetz ansprechen kann. Daraus entstehen Paradigmen. Diese sind die Grundlagen von computergestützten Diagnosekonzepten.
4. Im umgekehrten Fall, wo nur die Deduktion durchgeführt wird und die Ableitung aus vorausgefassten, aus dem Gesamtzusammenhang geholten Begriffen geschieht, führt dies ebensowenig zu einer Erkenntis der inhärenten Gesetzmässigkeit, sondern zur Hypothese. Erkenntnis des vor allem Denken Unmittelbar-Gegebenen kann also nur durch den Kreislauf von Deduktion und Induktion, bzw. von Analyse und Synthese stattfinden. Erst dadurch gelangen wir zur Erkenntnis der Wirklichkeit, die vor uns liegt. Das heisst wir erkennen die Idee in der Wirklichkeit.

Diese Tatsache Tatsache wurde von Goethe in die folgenden Dichterworte gekleidet:
„ Was ist das Allgemeine? Der besondere Fall. – Was ist der besondere Fall? Millionen Fälle.“

Von der Systemwissenschaft wird diese Sichtweise aufgegriffen, indem sie sagt, dass in jedem System eine Wechselwirkung zwischen dem Teil und dem Ganzen bestehe. Wobei sowohl dem Teil, als auch dem Ganzen im Ganzen Kosmos nichts Ideelles zukomme, denn ein solches ist nicht erkennbar und die wissenschaftlich anerkannten Gesetzmässigkeiten sind blosse Konstrukte, die durch intersubjektive Konvention zu Paradigmen werden, die man dann widersprüchlich als relative Realitäten behandelt. Briggs und Peat, die amerikanischen Wissenschafter und Nobelpreisträger sagen:
„... dass die Gestalt des Ganzen vom winzigsten Teil abhängt. So gesehen ist der Teil das Ganze, und das Ganze der Teil, denn durch das Wirken jedes Teils kann sich das Ganze in Gestalt des Chaos oder des Wandels manifestieren. Dieser den Wandel bewirkende Teil, der Anfang des Ganzen, ist die Informationslücke.“ Sie ist das Prinzip, das im System, bzw. im wahrgenommenen Objekt oder im Organismus als konstituierendes Prinzip wirkt. Dieses Prinzip ist nicht erkennbar, wirkt also als etwas ‚Transzendentales‘, ‚Ausserideelles‘. Die Systemwissenschaft nennt es das ‚autopoietische Prinzip‘.

Die Frage des wach denkenden Menschen, der nicht der Faszination ausgeliefert ist, kann nur lauten:
„Wie soll ein Prinzip transzendent sein, also nicht erkennbar sein, wenn es sich im Teil und im Ganzen manifestiert?“

Da können wir wiederum mit Goethe sagen:
„Das Höchste wäre, zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist. (...) Man suche nur nichts hinter den Phänomenen: Sie selber sind die Lehre“
Anders gesagt: Was ist, ist. Was nicht ist, ist nicht. Es gibt keine Informationslücke.

Wir müssen lernen, das Unmittelbar-Gegebene in seiner Gesetzmässigkeit, in seinem Begriff, in seinem Wesen zu erfassen. Denn dieser ist für das Denken dasselbe, wie wie das Unmittelbar-Gegebene für die Sinneswahrnehmung. Das geschieht dadurch, dass wir alle uns zugänglichen Phänomene der Erscheinung beobachten und sie durch unseren Denkwillen in einen Zusammenhang bringen. In der anorganischen Welt der Physik und der Chemie heisst die Methode des Erfassens ,Kausalität‘. Ihre Berechtigung liegt in der Welt des Gewordenen. Wenn - Dann Beziehungen, lineare Ursache-Wirkung – Beziehungen haben da ihre Gültigkeit. Die Kybernetik versucht nun durch die Idee der Rückkoppelungsprozesse die Welt des Organischen zu erfassen. Aber selbst mit den raffiniertesten reentrenten Regelkreisen und seien sie noch so komplex, kann die Realität der Gleichzeitigkeit in der Entwicklung eines Organs, sei es pflanzlicher oder tierischer Art nicht erfasst werden. Denn im Regelkreis gibt es immer ein Vorher und ein Nachher. Das Programmieren geht der Animation immer voraus. Ist also immer vergangenheitsbezogen.
Die Welt des Seelischen, der Instinkte, Triebe und Begierden, die in den Empfindungen der Tiere und uns Menschen wirken, können wir ebenfalls nicht durch das kausale Denken, das vergangenheitsbezogen ist, erfassen. Das seelische Leben kann nur durch das finale Denken erfasst werden. Dieses setzt sich Ziele und Zwecke, die es erreichen will, ist also zukunftsgerichtet, selbst wenn die Motive vergangenheitsbezogen, also kausal begründet sind. Mit dieser Denkmethode befinden wir uns im Zeitstrom der uns aus der Zukunft entgegenströmt. Die finale Denkmethode ist als die Methode der Psychologie.

Die Gesetzmässigkeiten in der Welt des Lebens, des Organischen also, können wir nur erkennen und verstehen lernen, wenn wir die in ihrer Gleichzeitigkeit auftauchenden Phänomene durch das Denken in einen Zusammenhang bringen. Aus diesem Zusammenhang spricht die Gesetzmässigkeit des lebendigen Organismus. In der Erscheinung der Gesetzmässigkeit erkennen wir, ob ein Organ und damit der ganze Organismus gesund oder krank ist. Wir erkennen dies durch das geistesgegenwärtige Beobachten der Phänomene. Geistesgegenwärtig heisst, dass wir die Phänomene durch den Denkakt im Zusammenhang ihrer gleichzeitigen Entwicklung verfolgen. Es ist dieses die simultan-korrelative Denkmethode. Damit können wir das Lebendige erfassen. Es ist das simultan-korrelative Denken die Methode die der Diagnose und Prognostik zugrunde liegt.
Durch die Kausalität der Regelkreise, die in der systemischen Methode angewendet werden, hinken wir der Gegenwart ständig hintendrein. Wir sind dadurch realitätsfern. Durch die finale Denkweise projizieren wir Vorstellungen in unsere Wahrnehmungen, die mehr unseren Wünschen entsprechen, die wir uns also aus der Zukunft erhoffen. Wir bewegen uns dadurch ebensfalls realitätsfern.

Im simultan korrelativen Erfassen der Erscheinungen sind wir fähig, geistesgegenwärtig zu handeln. Dies kann uns auch das raffinierteste Computersystem nicht ersetzen, denn es gibt keines, das nicht vergangenheitsbezogen programmiert ist. Selbst wenn es irgendeinmal gelingen sollte, den Computer durch Kameras an den Phänomenen teilhaben zu lassen, kann er nur programmierte Daten aus dem sekundären Cyber-Weltzusammenhang kombinieren und solche Kombinationen ausspucken. Er kann nicht aus der Gesamtschau menschlichen Wahrnehmens in Geistesgegenwart das tun, was in der besonderen Situation aus einer Intuition heraus getan werden muss. Ein aus dem simultan-korrelativen Denkakt resultierender Geistesblitz, eine Intuition eben aus dem realen primären Weltzusammenhang, kann sämtlichen anerkannten Regeln und Paradigmen widersprechen und für die reale Situation eben doch das Richtige sein. Es ist dies die Erkenntnis der Idee in der Wirklichkeit. Diese kann zu keiner Zeit und in keiner Maschine programmiert werden, die nur Resultate aus einem sekundär-konstruierten Cyber-World-Zusammenhang auspucken kann.

Zum Schluss wollen wir einen Blick auf den geschichtlichen Werdegang des postmodernen Welt- und Menschenbildes werfen. Unsere Denkkultur findet ihren Ursprung in den philosphischen Systemen von Platon und Aristoteles.
Platon sagt, dass Wirklichkeit nur den allgemeinen Ideen zukomme und das das Besondere nur eine schattenhafte, von den allgemeinen Ideen abgeleitete, unvollkommene Nachbildung sei.
Aristoteles folgt seinem Lehrer darin nicht. Das Allgemeine ist ihm nicht ein ideelles, gleichsam jenseitiges Urbild. Er sagt: Wenn wir eine allgemeine Gesetzmässigkeit aussprechen, so können wir das im Grunde immer nur aus den in Raum und Zeit existierenden Einzeldingen herausholen. Auf sie beziehen sich alle unsere Urteile.
Wichtige Nachfolger Platos finden wir in Plotin, der eine ähnliche Ideenlehre vertritt und dann den Kirchenvater Augustinus. Dieser ist einer der ersten Menschen, der in seinem individuellen Denken, den Beweis seiner persönlichen Existenz sieht. Durch seine Trinitätslehre schafft er aber die Grundlage für eine grosse Verwirrung in der Entwicklung des menschlichen Denkens. Er sieht die drei Personen der Gottheit, also den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist nicht als eine subtantielle, quantitative oder qualitative Unterschiedenheit an, weil eine solche gar nicht bestehe. Das ewige Verhältnis der dreieinigen Personen wird einzig durch die Begriffe bezeichnet. Dennoch meinte er das nicht abstrakt, sondern im Sinne von Plato völlig real. Dergestalt stellte er sich also das Allgemeine vor, aus dem das Besondere, die Einzeldinge fliessen. Es ging ihm vor allem darum, ein für allemal zu verhindern, dass die Dreieinigkeitslehre zu einer Drei-Götterlehre verkommen könnte.

Der denkende Mensch muss sich allerdings die Frage stellen, wie ein subtantiell, qauntitativ und qualitativ nicht Unterscheidbares in eine ewige Relation treten kann. Wie soll eine ununterschiedene und ununterscheidbare Dreiheit in eine ewige Relation treten?
Es ist dies eine Frage die man nicht stellen darf, denn dieses Dogma bildet sowohl für die protestantische, als auch für die katholische Kirche die Grundlage ihres Dreieinigkeitsglaubens.
Es liegt hier aber nicht nur die Wurzel der kirchlichen Dogmen, sondern wie wir späterhin sehen werden, auch der Grund für naturwissenschaftliche Dogmen. Diese Dogmen werden über Jahrhunderte gelehrt und wirken bewusstseinsprägend aus dem kollektiven Unbewussten der Menschheit heraus. Je mehr wir sagen, dass uns eine solche Wirkung nicht berühre, desto kräftiger wirkt sie.
Durch diese unklare Deutung der Trinität wird die Grundlage dafür geschaffen, dass das Glaubensbekenntnis der allgemeinen katholischen Kirche einen Zusatz erhält. Sie werden gleich sehen, warum es so wichtig ist, dass wir diesen geschichtlichen Exkurs machen.
Während in den Glaubensbekenntnissen der beiden Konzilien zu Nicäa (325 n.Chr. und 381 n. Chr.) die Trinität als drei selbständige Personen, die als eine Ganzheit auftreten, verehrt wird, kommt es nach dem Dogma von Augustinus (ca. 395 n. Chr.) immer wieder zu grundsätzlichen Diskussionen über die Wirklichkeit der Trinität. Im 6. Jahrhundert n.Chr. (589) wird in Toledo ein Zusatz zum Glaubensbekenntnis von Nicäa 381 n. Chr. angefügt. Dieser lautet:
...Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, ...



lateinisch: ...Et in Spiritum Sanctum, Dominum et vivificantem,
qui ex Patre Filioque procedit. ...

Dieser Zusatz wird im Jahre 869 n. Chr. zum Kirchendogma. 879 wird er wieder aufgehoben, aber im Jahre 1215 n. Chr. offiziell und definitiv wieder eingeführt. Er ist bis heute gültig.
Im Mittelalter, in der Scholastik, hat sich aber noch anderes sehr Wesentliches getan, was unser Denken und damit das Denken der Wissenschaft bis heute in ungeahnter Weise prägt:
Ein missdeuteter, abgewandelter Platonismus lebte fort in Anselm von Canterburry (1033 bis 1109). Er gehört zur scholastischen Strömung der Realisten. Sie betrachteten einzig die Ideen als real. Glauben aber an eine ausserideelle, transzendentale, also nicht erkennbare Gottheit, die diese Ideen bewirkt. Ihr Motto ist:
„Credo ut intelligam – ich glaube, damit ich verstehen kann.“

Der Aristotelismus lebt in abgewandelter und missdeuteter Weise in den Nominalisten (Johannes Roscellinus, 1050 – 1120) der Scholastik fort, die sagen, dass einzig und allein die Einzeldinge real, die allgemeinen Begriffe aber abstrakt zu diesen hinzugefügt seien.
Der Grundsatz der Realisten war, dass nur die Ideenwelt real, aber von einem transzendenten Gott bewirkt sei und die Einzeldinge ein schattenhafter Abglanz davon: Universalia ante res.
Der Grundsatz der Nominalisten war, dass nur die Einzeldinge real und die Ideen oder Begriffe von den Einzeldingen durch den Verstand abgezogen und abstrakt dazugefügt werden: Universalia post res.
Der Streit zwischen diesen beiden Strömungen wurde durch Petrus Abälardus (1079 –1142) geschlichtet, in dem er erkannte, dass die Ideen real und nicht von einer ausserideellen Gottheit bewirkt in den Einzeldingen lebendig wirksam seien. Er sprach aus: „Intellego ut credam – ich erkenne, auf dass ich glaube“.
Sein Grundsatz ist, dass die Gesetzmässigkeiten der Erscheinungen in ihnen selber wirken. Sein Prinzip war: Universalia in rebus.
Er hat den Erkenntnisstreit vorübergehend geschlichtet. Erstaunlicherweise geriet seine Erkenntnis leider in Vergessenheit. Erstaunlich deshalb, weil durch diese Einsicht das Erkenntnis-Problem gelöst wäre.
Damit haben wir zusammengetragen, was heute im Denken der Menschen unbewusst wirksam ist, auch und vor allem im Denken der Naturwissenschaft.
1. Gehen wir vom christlichen Konzept der Trinität aus: Es rührt her aus dem Bedürfnis den Urgrund allen Seins zu verstehen. Wenn wir vom Werden alles Möglichen ausgehen, dann sehen wir, dass alles, wirklich alles aus drei Qualitäten besteht:
- Der Qualität der Form (Gesetzmässigkeit, Idee, Begriff): diese scheint dem Geist zu entsprechen.
- Der Qualität der Substanz (Stoff, Materie): diese scheint dem Vater zu entsprechen
- Und der Qualität des Verhältnissses zwischen Form und Substanz: Der Werdeprozess des in das Verhältnissetzen scheint dem Sohn zu entsprechen. Das ist der Denkwille, der in der Natur in den Biozönosen als Regulativ des Fliessgleichgewichts wirkt und im Menschen durch die Gesetzmässigkeit von Inkarnation und Exkarnation bewusst, also individualisiert wird. Diese Gesetzmässigkeit ist auch die Gesetzmässigkeit des Sohnes, des Christus.
In der Bewusstwerdung des Denkwillens und der Erkenntnis der Idee in der Wirklichkeit schaffen wir den Durchbruch zur Mentalebene III. Das ist das Bewusstsein unseres realen Ichs, als Denkwille und Ideenrealität. Und das ist der dritte Schritt, den wir im heutigen Referat miteinander nachvollziehen.
Die Dreiheit von Substanz, Verhältnis und Form ist allen Erscheinungen als Einheit inhärent, auf jeder Ebene des Seins und des Daseins. Es gibt nur diese Möglichkeit des Erscheinens:
In der anorganischen Welt, in der sich die Urphänomene als Naturgesetze zeigen. In der organischen Welt der Pflanzen, in der sich Systole und Diastole in der Metamorphose des Blattes als Gesetz und Idee des Pflanzentypus zeigen. In der Empfindungswelt der Tiere und der Menschen, in welcher sich Sympathie und Antipantie durch Bildung eines Innenlebens in der biologischen Gesetzmässigkeit der Involution und Evolution als der Gesetzmässigkeit des Tiertypus zeigen. Und der Welt der Gedanken und Ideen des Menschen, die sich durch die Gesetzmässkeit von Inkarnation und Exkarnation des Denkwillens auf der Erde manifestiert. Ja selbst ein Gedanke muss aus Gedankensubstanz bestehen, denn sonst könnte man ihn nicht in eine Form bringen und er wäre für den aktiv mitdenkenden Mitmenschen nicht wahrnehmbar.
Wenn nun gesagt wird, dass Geist (Form), Vater (Substanz) und Sohn (Verhältnis) eine substantielle, qualitative und quantitative Ununterschiedenheit aufweisen, wird die Klarheit in der Welt- und Menschenerkenntnis vernebelt.
Wird dann zusätzlich durch das Filioque dogmatisch indoktriniert, dass der Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgegangen sei, dann heisst das, dass die Form aus der Substanz und dem in der Erzeugung der Form entstehenden Verhältis hervorgegangen sei. Das ist die Selbstorganisation der Materie, die Autopoiesis der postmodernen Wissenschaft der systemischen Theorien.

2. Den scholastischen Realismus des ausserideellen Wesens, das damals Gott genannt wurde, das transzendental wirken und unsere Ideen und Vorstellungen bewirken soll, finden wir als völlig verwandelten und verkannten Platonismus in Kants nicht erkennbarem „Ding an sich“ wieder.
Ebenso finden wir den Nominalismus, der sagt, dass wir den Erscheinungen in unserer Wahrnehmungswelt, also dem „Ding für uns“ einfach unsere subjektiven Vorstellungen überstülpen, als verwandelten und verkehrten Aristotelismus bei Kant wieder. Dieser sagt, dass die Erscheinungen ebenso wie die Naturgesetze nur unsere subjektiven Projektionen seien.
Dass die Gesetzmässigkeiten den Erfahrungsgegenständen real inhärent und keine Projektionen sind, haben wir dargestellt. Diese Erkenntnis verbindet richtig verstandenen Platonismus mit richtig verstandenem Aristotelismus und bekommt vor dem Hintergrund des vorgängig entwickelten Trinitätsprinzip einen strahlenden Glanz. Dieser Glanz erstrahlt aus dem freien und eigenständigen Erkenntnis-und Entscheidungsvermögen der uns umgebenden Mitmenschen, insofern sie dieses entwickelt haben. Dieser Glanz erstrahlt aus uns, den uns umgebenden Mitmenschen entgegen, insofern wir das eigenständige Erkenntnis- und Entscheidungsvermögen entwickelt haben. Das geschieht durch die Individualisierung des Denkwillens.

Diese Gedanken sind weiter entwickelt und ausgeführt in den folgenden Büchern aus dem Grin-Verlag München, Akademische Bücherreihe:
- Wut, Chaos und Zerstörung. F. Frey, Grin-Verlag München, 2007.
- Der entscheidende Zeit-Not-wendige Schritt. F. Frey, Grin-Verlag München, 2006.
- Die Informationslücke. F. Frey, Grin-Verlag München, 2006

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website informationsluecke.blogspot.com Links tauschen

Anonym hat gesagt…

Danke sehr an den Webmaster.

Gruss Nadine