Montag, 17. September 2007

Vorlesung, Ärzteweiterbildung

Ich und Welt – Konstrukte unseres Gehirns?
(Referat zur Informationslücke)

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wollen uns heute damit befassen, was die Grundlage unseres Urteilens und Handelns im Alltag und in unserem Beruf ist. Seit Immanuel Kant (1724 – 1804), seit 200 Jahren also, durchdringt eine bestimmte Art von Weltanschauung das Denken der westlichen Gesellschaft und strahlt von da aus über die ganze Erde. Durch seinen zwingenden Charakter bewirkt es einerseits Faszination in seinen Möglichkeiten, andererseits Unfreiheit gerade durch diese Faszination. Durch dieses Denken ist ein Welt – und Menschenbild zustande gekommen, durch das wir einerseits in Unfreiheit gefesselt werden. Andererseits werden wir auf seiner Grundlage zutiefst verunsichert und aus der Welt des Wirklichen hoffnungslos entwurzelt.
Versuchen wir das Zustandekommen dieses Welt- und Menschenbildes zu durchschauen:
Das Entstehen unserer Welt wird durch das heute anerkannte Standardmodell der Kosmologie begründet. Darin wird von einem sehr heissen und dichten Frühzustand des Universums ausgegangen. Er wird in der Form des Urknalls, des Big Bang, beschrieben. Das Modell bestätigt die folgenden drei Beobachtungen:
1. Häufigkeit und Zustandekommen der Elemente durch die primordinale Nukleosynthese. Gemäss Modellvorstellung war das Universum so heiss, dass Materie in Quarks und Glutonen aufgelöst war. Durch Expansion und Abkühlung entstanden Protonen und Neutronen. Nach etwa einer Sekunde verschmolzen aus Protonen und Neutronen die Kerne leichter Elemente: Wasserstoff, Helium und Litium.
2. Gemäss Modell wurde dieses undurchsichtige, ionisierte Gas etwa 300'000 Jahre nach dem Urknall transparent. Zur gleichen Zeit entstand die kosmische Hintergrundstrahlung.

3. Die Expansion des Universums. Aufgrund der stetigen, allseitigen Ausdehnung glaubt man das Alter des Universums nachrechnen zu können. Mittels der Hubble – Konstante kommt man auf ein Alter von ca. 12,5 bis 20 Milliarden Jahren.

Das ist die Zeit, die der Evolution der Natur und des Menschen bis heute, also der Epoche der Postmoderne zur Verfügung stand. (Nebenbei bemerkt ist das die selbe Rechnung, wie wenn man die Grösse eines Menschen berechnen würde, der bei Geburt 50 cm lang ist und im ersten Monat 3 cm wächst. Mit dieser Konstante wäre er dann nach einem Jahr 86 cm lang, nach zwei Jahren 122 cm, nach drei Jahren 158 cm ... setzen sie die Rechnung ruhig selber fort). Eine gewisse Absurdität ist dieser Berechnung ja nicht abzusprechen.
Die Evolution wurde, wohlverstanden immer gemäss der Theorie, durch die Selbstorganisation der Materie, das heisst durch Rückkoppelungsprozesse und Wechselwirkungen der Urelemente, in Gang gesetzt.
So entstand die Mineralwelt, also die anorganische Welt der Elemente aus Atomen und Molekülen.
Durch die unendliche Selbstorganisation in der Wechselwirkung zwischen Atomen und Molekülen entstanden natürlich immer kompliziertere Verbindungen, die in die Struktur der Eiweissmoleküle mündeten. Damit war in der Form der Algen die Grundlage für das organische Leben gelegt, also für das Entstehen der Pflanzenwelt und der Tierwelt. Durch das Bedürfnis nach Nahrung entwickelte sich in der Tierwelt durch die Wechselwirkung zwischen Umwelt und Individuum und zwischen den Individuen ein begierdehaftes und triebhaftes Innenleben, das in der Pflanzenwelt noch nicht vorhanden ist. Damit erwachte das Empfindungsleben als Grundlage des seelischen Erlebens. Im rein darwinistischen Sinne begann der Kampf ums Überleben des Stärkeren, was der Evolution zu Impulsen verhalf, die zu immer raffinierteren Anpassungsmethoden führten. Bis es zum Evolutionssprung des menschlichen Denkens und Vorstellens reichte. Einen Vergleich zwischen der Ontogenese und Phylogenese des Denkens wollen wir später anstellen.

Jetzt betrachten wir vorerst das Zustandekommen des menschlichen Zusammenlebens, der Bildung von Gesellschaften, Kulturen und der Gesetze die das Zusammenleben regeln.
Die Pflanzen, als Produzenten der Nahrungsgrundlage, und die Tiere, als die geschilderten Empfindungswesen, regeln ihr Zusammenleben im Fliessgleichgewicht der Biozönose. Wie hier Lebens- und Todeskräfte zusammenwirken und durch ein übergeordnetes Regulativ in einem gesunden Fliessgleichgewicht gehalten werden, ist ebenfalls Gegenstand späterer Betrachtungen.
Die systemischen Theorien, die der modernen Gehirnforschung, der Biologie, der Soziologie, der Psychologie, ja heute eigentlich allen Wissenschaften zu Grunde liegen, gehen von einem einheitlichen Paradigma einer weiteren Evolution aus. Sie nehmen an, dass sich durch das Prinzip des ‚survivel of the fitest‘ aus der Mentalebene I, der Empfindungsebene der höheren Säugetiere die Mentalebene II des Verstandesdenkens des Menschen herausgebildet habe. Dies soll durch reentrente Wechselwirkungen zwischen den Gehirnerven, Gehirnzentren und den Nervenzentren des motorischen und sensiblen Nervensystems einerseits und den Genen und Hormonen andererseits geschehen sein.
Der Mensch, in seiner heutigen Erscheinung, wird als psychisches System, das einzig und allein ein subjektives Bewusstsein haben kann, determiniert. Das Zustandekommen des Ich-Bewusstseins kennzeichnet dieses als reine Illusion. In der Interaktion der psychischen Systeme untereinander entstehen die Regeln des Zusammenlebens in der Form von intersubjektiven Konventionen. Diese werden als Paradigmen zu kategorischen Imperativen und als diese einerseits verinnerlicht, andererseits auf die anderen Menschen projiziert, denen wir ein ebensolches subjektives Sein, wie uns selber zuschreiben. So kommt gemäss der Systemtheorie, der die Methode des Konstruktivismus zu Grunde liegt, das Gewissen zustande. Dieses ist also relativ und passt sich der jeweiligen Zeitepoche und der jeweiligen Sozietät an.
So beschreibt der systemische Konstruktivismus das Zustandekommen von Natur, Kultur, Menschenrechten und Gewissen.
Unser Ich-Bewusstsein, das Du–Bewusstsein ebenso wie unser Weltbewusstsein und unser Gottesbewusstsein sind folglich Konstrukte, die durch Neuronenfeuerungen in unseren Gehirnen zustande kommen. Die Gehirnforschung legt die Zentren, die diese Konstrukte bewirken durch die Verfahren der Positronen – Emissions – Tomographie (PET), Einzel – Photonen - Emissions – Computer – Tomographie (SPECT), Magnetresonanz – Tomographie (MRT) und die Magnetenzephalographie (MEG) fest.

So belegt die Wissenschaft, wie aus der Materie Geist entsteht: Die Qaulia der Menschenrechte, des Gewissens, der Regeln des Zusammenlebens, die Naturgesetze sind Konstrukte, entstanden aus den reentrenten Wechselwirkungen unserer Gehirnnerven und Gehirnzentren und werden zu abstrakten Normen erhoben, die man in die Menschen und in die Menschheit als seinsgegeben von aussen projiziert.

Naturgesetze werden auch in den Naturwissenschaften durch intersubjektive Kommunikation als Paradigmen determiniert. So denkt man sich die Naturgesetze abstrakt zu den Naturerscheinungen hinzugefügt. Sie bestimmen unser Denken und begrenzen es. Die Denkfabriken bestimmter amerikanischer Universitäten determinieren, was denkbar sein darf und was nicht. In der Medizin ist man heute so weit, einen ‚evidence – space‘ einzurichten, der als Kontrollinstrument die Resultate unseres Denkens legitimieren soll. Auf diese Weise wird unser Denken eingeklinkt in einen Cyber-Begriffszusammenhang, der aus lauter Konstrukten besteht. Diese werden in Paradigmen determiniert und zu einer relativen Wirklichkeit erhoben.

So weit ist auf den ersten Blick alles klar.
Auf den zweiten Blick drängt sich dem gesund empfindenden Menschen die Frage auf :
Gibt es denn keine Welt der Wirklichkeit, bin ich als ‚Ich‘ tatsächlich ebenso nur Konstrukt, wie mein Mitmensch. Wie steht es mit dem Konstrukt meiner Gottesvorstellung, sofern ich eine solche habe. (Der Atheist steht da tatsächlich näher an der Wirklichkeit, als der Mensch, der sich durch die praktische Vernunft einen Glauben konstruiert. Oder sich einen Glauben als Dogma, das er als kategorischen Imperativ aufzunehmen hat, konstruieren lässt.)

Wer sich diese Fragen auf Grund seines Nachdenkens stellt, gerät in eine Identitätskrise. Er kann sich daraus herausmanövrieren, in dem er sein Denken ebenfalls als ein Konstrukt abtut und sich den Drang des Fragens abgewöhnt. Das ist die Verdrängung des Denkdranges. Die findet heute in der Form der Lust – und Spassgesellschaft statt, deren Oberflächlichkeit letztlich zu den gesellschaftlichen Problemen von Sucht, Depression – und Gewalt führt.
Luhmann, einer der führenden Theoretiker der systemischen Wissenschaften sagte vor seinem Tod:
„Es gibt viel Hoffnung, aber nicht für uns.“
Wahrscheinlich will er damit sagen, dass wir uns ja nicht so ernst zu nehmen brauchen. Da stellt sich aber die folgende Frage:
Wie sollen wir den Mitmenschen, unseren Arbeitskollegen, unsere Arbeitskollegin, unsere Patienten und ihre Angehörigen ernst nehmen, wenn wir uns selber nicht ernst nehmen.
Der erste Schritt im Durchschauen des postmodernen Welt – und Menschenbildes hat uns also zur Sinnfrage geführt.

Als zweiten Schritt wollen wir der Frage nachgehen, ob es nicht doch eine Wirklichkeit gibt, die wir empirisch belegen können.
Vorerst aber möchte ich aufzeigen, welche Mittel eingesetzt werden, um uns davon abzuhalten, diesen zweiten Schritt zu tun. Eines dieser Mittel ist AIDA. Leider hat diese AIDA nichts mit der wunderbaren Oper von Verdi zu tun. Nein, diese AIDA ist ein Instrument der Werbepsychologie. Ich persönlich bin der Meinung, dass durch die Paradigmatisierung der Wissenschaft, die durch amerikanische Denkfabriken durchgeführt wird, eine regelrechte Denkdressur der Menschheit stattfindet. Es stehen wahrscheinlich nicht nur, aber auch nicht zuletzt, gewaltige finanzielle Interessen hinter dieser Denkdressur. Dass sich die Werbepsychologie der Resultate dieser Denkfabriken bemächtigt und sich die Denkfabriken der Werbepsychologie bedienen, liegt auf der Hand. Es besteht eine Art reentrentes Rückkoppelungssystem zwischen beiden.
Was bedeutet AIDA überhaupt?

A- Attention I – Interest D – Desire A – Action

Was spielt denn AIDA für eine Rolle in Bezug auf die Resultate der Denkfabriken, z. B auch in Bezug auf den ‚evidence-space‘? Diese AIDA will:
Attention – Aufmerksamkeit erzeugen durch das attraktive Angebot, dass uns eigenes Denken und die Sicherheit unserer Erkenntnis (der Evidenz) des unmittelbar Gegebenen abgenommen wird. Das entbindet uns von einem Teil unserer schweren Verantwortung und damit vor einer ev. Haftung.
Interest – Interesse dafür wecken, schnell und sicher zu einer abgesicherten ,Erkenntnis‘ zu kommen.
Desire - Den Wunsch, an einem solchen Konzept, wie es der ‚evidence – space‘ ist, teilzuhaben.
Action - Der Entschluss, dabei mitzumachen und die Tat, da aktiv einzusteigen.

Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen der Gehirnforschung und AIDA? AIDA will mich ja für ein Konzept gewinnen. Es ist in diesem Fall ein wissenschaftliches Konzept. Es kann in einem anderen Fall ein politisches Konzept sein oder ein wirtschaftliches oder ganz einfach ein Verkaufskonzept. Worauf zielt AIDA ab. AIDA will uns faszinieren. Und genau hier haben wir nun den Zusammenhang mit der Gehirnforschung. Der Gehirnforscher und die Verkaufspsychologie sprechen von einem ‚Faszinationsregler‘ in unserem Zwischenhirn. Sie kennen die ganze Hirnphysiologie. Sie kennen sie um vieles besser als ich. Dennoch möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, wovon der ausgeht, der mich faszinieren will:
Er geht davon aus, dass in unserem Gehirn der übergeordnete Verhaltensregler, der Faszinationsregler sitzt. Er sitzt im Zwischenhirn, dieser Faszinationsregler sitzt im Zwischenhirn.
Blicken wir kurz in unser Gehirn. Der kanadische Gehirnforscher, Mac Lean, spricht vom dreieinigen Gehirn. Seltsamer Ausdruck für unser Gehirn. Der Begriff ‚dreieinig‘ erinnert uns an den dreieinigen Gott. Es wird wohl nicht so sein, dass der Naturwissenschafter im Gehirn einen Ersatzmythos für die trinitäre Erscheinungsweise Gottes sieht?
Worin besteht also dieses dreieinige Gehirn? Es ist das vorerst einmal der Hirnstamm mit dem verlängerten Rückenmark (medulla oblongata), der Brücke (Pons), dem Cerebellum (Kleinhirn) und dem Mittelhirn. Mac Lean nennt dieses Gehirn das Reptiliengehirn, da es der am wenigsten weit entwickelte Teil des Gehirns ist. Es wird als Kontrollzentrum unbewusster, gefühlloser, roboterähnlicher Programme, die dem Reptilienverhalten ähneln, geschildert. Dann folgt das Zwischenhirn, welches er als Altsäugergehirn bezeichnet und als den Versuch der Natur, dem Reptiliengehirn eine Denkkappe zu verpassen.
Was geschieht denn da?
Das Zwischenhirn umschliesst den Hirnstamm wie einen Saum (Limbus), deswegen wird es auch als ‚limbisches System‘ bezeichnet. Mac Lean nennt es ‚Altsäugergehirn‘. Es ist in der Entwicklung schon weiter vorangeschritten als das Reptiliengehirn. Es verbindet die Informationen, die aus der Aussenwelt verarbeitet werden, mit denjenigen, die aus der Innenwelt des Menschen stammen. Der Mensch ist seiner Organnatur gemäss ein Wesen, das sich gerne wohlfühlt, das sich das Leben gerne bequem und angenehm einrichtet. Wir stecken ja heute in der postmodernen Gesellschaft des Wellness-Zeitalters.
Wenn ich nun als Moderator, Referent, Politiker, Manager, Wissenschafter oder Verkäufer von aussen ein Bild, eine Situation entwerfe, die in Ihrem Innern auf Zuspruch trifft, dann impulsiert dieser Zuspruch aus der Innenwelt der Bedürfnisse, der Instinkte und Triebe der Organe meine Vorstellungswelt im Grosshirn, dem Neusäugergehirn. Es entstehen Vorstellungen mit den entsprechenden Sympathie- oder Antipathie-Gefühlen im Hintergrund.
Da haben wir es also, dieses dreieinige Gehirn nach Mac Lean: das Reptiliengehirn (verantwortlich für unser Reflex- und Instinktverhalten), dann das Altsäugergehirn, dem durch die Verbindung der Aussenwelt mit der Innenwelt das emotionale Erleben des Menschen entspringt und dann das Neusäugergehirn, den Neocortex, in dem die Spuren aller unserer Erfahrungen vor- und nachgeburtlich in den sogenannten globalen Speicherkarten gespeichert sein sollen und in Wechselwirkung mit den beiden anderen Gehirnteilen stehen und durch die Emotionen aus der Innenwelt zum Impuls von Vorstellungen werden, die uns für oder gegen das Konzept oder das Produkt entscheiden lassen.
Diese Automatismen spielen sich aber nur ab, insofern wir uns faszinieren lassen.

Im Etymologie-Duden (Herkunftswörterbuch) findet sich folgende Wortherkunft: faszinieren – „entzücken, bezaubern“/ im 18. Jh. aus lat. Fascinare – „beschreien, behexen“ entlehnt, dessen Vorgeschichte nicht eindeutig geklärt ist. Dazu das Substantiv Faszination – „ Bezauberung“ (aus lat. Fascinatio „Beschreiung, Behexung“).
Die Paradigmen, von denen Mac Lean nur einer von vielen Vertretern ist [andere sind z. B. die Professoren Edelmann und Tononi (Gehirn und Geist) oder die Chaos – Forscher Briggs und Peat (Die Entdeckung des Chaos), auch Niklas Luhmann (der deutsche Vordenker der Systemtheorie, die aus der Chaos-Theorie hervorgeht) oder Michel Foucault (Sexualität und Wahrheit), Andrew Newberg/ Eugene D’Aquili/ Vince Rause (Der gedachte Gott) gehen ausgesprochen oder unausgesprochen von dieser Aussage aus], diese Paradigmen also sagen:
„Unser menschliches Gehirn ist gleichsam die Zusammenfassung seiner evolutionären Vergangenheit. Wir sind Erben der Struktur und Organisation dreier grundlegend verschiedener Gehirne, die wie drei miteinander verschaltete biologische Computer funktionieren, wobei jeder seine eigene Subjektivität und Intelligenz, seine eigenen Zeit- und Raumvorstellungen sowie sein eigenes Gedächtnis besitzt.“
Das psychische System, als das der Mensch der Postmoderne bezeichnet wird, soll also wie ein Computer funktionieren. Durch Input und Output. Und tatsächlich, auf der Mentalebene I und auf der Mentalebene II, auf der Ebene des kausalen und finalen Denkens, insofern wir nicht selber zu denken beginnen, lassen wir uns wie bio-psychische Systeme faszinieren. Da sind wir aber nicht wirklich Mensch. Mensch sind wir erst dort wirklich, wo wir uns solchen Erscheinungen gegenüber eben nicht faszinieren lassen, sondern sie als Gegebenheiten unserer Wahrnehmungswelt betrachten, über die wir nachdenken und über die wir ein eigenständiges Urteil fällen können.
Täuschen Sie sich bitte nicht darüber hinweg, was solche Paradigmen für eine Wirkung haben auf unser Alltagsdenken. Denn in den Denkfabriken, den Universitäten wird das Gedankengut geprägt, das in unsere Ausbildungen, Mittelschulen, Primarschulen und Kindergärten und damit in die ganze Gesellschaft sinkt. Das geschieht durch die Ausbildung der Lehrkräfte, die nach den Paradigmen der Wissenschaft ausgebildet werden. Das geschieht heute durch die verordneten Unterrichtsmodule. Die Menschen werden heute moduliert.
Wir müssen uns aber von den Gehirnforschern und Systemtheoretikern nicht blenden lassen, nur weil sie sich tiefer in gewisse Paradigmen hineingearbeitet haben als wir. Denn, wenn wir da etwas genauer hinschauen, liegt diesen Paradigmen eine Denkweise zu Grunde, die vor 200 Jahren die Menschen aufgewühlt hat. Es ist die Denkweise von Immanuel Kant, der in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ sagt, dass die Welt unsere Vorstellung sei. Dass die Gegenstände, die Objekte (l’objet = das uns Entgegengeworfene) nicht erkennbar seien, sondern dass diese nur unsere Vorstellungen seien. Sie, die Dinge an sich, seien nicht erkennbar, denn auf unsere Sinne würden nur die elekromagnetischen Reize, die diese Gegenstände aussenden, wirken. Wir würden in unseren Gehirnen diese Reize verarbeiten und dann als das subjektiv erfahrene Ding (wie es für uns ist!!) in die Welt hinausprojizieren. Es ist nichts anderes als das, was heute die postmodernen Gehirnforscher erzählen. Es geht nicht darum diese Forschungsresultate lächerlich zu machen, nein, die wollen wir ernst nehmen und die können den Menschen von grossem Nutzen sein. Nein es geht um die Interpretation dieser Forschungsresultate.
Wir wollen nun diese Sache wirklich genauer durchdenken und uns bemühen, nicht dem Faszinationsregler zu unterliegen. Dieser wird durch die Überzeugungskraft solcher Paradigmen angesprochen. Wir wollen eine Anstrengung erbringen und unsere durch Erziehung und Gesellschaft geprägten Vorstellungen, die so schwer sich verändern lassen, in Bewegung versetzen.

Seit Kant beherrscht die Ansicht unser Weltbild, dass alles subjektiv sei. Diese Anschauung ist heute auf dem vorher beschriebenen Weg bis in den kleinsten Geist eingeflossen. Dass die Wirklichkeit nicht erkennbar sei, muss erschütternd wirken auf jeden Menschen, der denkt und sich nicht automatenhaft faszinieren lässt von Anschauungen. Dadurch, dass alles subjektiv sein soll, wird auch alles relativ. Auch die Wahrheit. Dadurch, dass alles subjektiv sein soll, muss sich alles in Vorstellungen auflösen. Konkret heisst das Folgendes:
Unsere Sinne werden durch elektromagnetische Wellen oder Photonen affiziert. Sie leiten die Impulse weiter in unser Gehirn. Dort werden sie in den reentrenten Wechselwirkungen der Neuronen und Gehirnzentren verarbeitet und dann vom Gehirn als Ganzheit in der Form von Vorstellungen in die Welt und auf den anderen Menschen projiziert. Wenn wir aber die Sache genau durchdenken, dann wird die Geschichte recht unheimlich. Wenn das nämlich so wäre, dann müssten auch unsere Sinne, unsere Gehirnnerven und Gehirnzentren ebenso ‚nur‘ Vorstellungen sein, wie der Stuhl auf dem Sie sitzen, wie die Apparate, mit denen wir unsere wissenschaftlichen Untersuchungen vornehmen und wie die Quarks und Glutonen des Urknalls. Vorstellungen, so sagt selbst der abgebrühteste Systemtheoretiker und Materialist sind geistig, sie sind aus der Materie entstandener Geist. Mit dieser Aussage muss sich aber, konsequent gedacht, alles in Geist auflösen. Der Materialist wird dadurch zum Spiritualisten. Es müsste also ein undefinierbares, weil nicht erkennbares, also transzendentales, geistiges Wesen existieren, das alle diese unsere Illusionen bewirkt. Der Glaube nennt dieses ausserideelle und nicht erkennbare Wesen ‚Gott‘. Das ist ein Resultat von Kants praktischer Vernunft.
Falls es aber doch Materie gibt, so muss man sich die naheliegende Frage stellen:
Wie kommt die Materie dazu, sich selber zu organisieren und wie kommt sie dann letztlich dazu, über sich selber nachzudenken, so wie das der Mensch doch tut?
Der kantisch und systemisch indoktrinierte Wissenschafter sagt nun: Das kann man nicht wissen!
Diese Aussage ist aber der Tod aller Forschung und Wissenschaft. Damit geben wir uns nicht zufrieden, sondern wir suchen einen Ansatz der uns weiterführt und ein Schritt ist, heute demnach unser zweiter Schritt ist, zur Erkenntnis der Wirklichkeit:
1. Das Problem der Erkenntnis der Wirklichkeit wird zum Problem der Naturwissenschaft, in dem sich aus dem Unmittelbar–Gegebenen, die Frage nach seiner Gesetzmässigkeit stellt. Das Unmittelbar–Gegebene ist vor allem Denken darüber gegeben. Diesem Unmittelbar – Gegebenen steht also die Fähigkeit des Denkens gegenüber. Diese Fähigkeit wird durch die Wahrnehmung angestossen. Anders gesagt, die Fähigkeit des Denkens stösst sich an der Wahrnehmung. Sie ist also rein empirisch ausgerichtet.
2. Wir wollen den Sachverhalt an diesem Gegenstand (Salzkristall) nachvollziehen.
Was nehmen wir wahr? Geraden. Senkrechte Geraden, waagrechte Geraden, Geraden die nach hinten verlaufen, Flächen, würfelartige Formen. Da haben wir über das Denken schon Begriffe aus dem allgemeinen Begriffszusammenhang an die Wahrnehmungen herangetragen. Wir analysieren. Das Denken wird aber von den Wahrnehmungen dazu angestossen, die Begriffe im Gesamtzusammenhang zu suchen. Das ist die erste Bewegung des Denkens, die Suchbewegung der Analyse. Die zweite Bewegung der Analyse ist das Heranführen des Begriffs aus dem allgemeinen Weltzusammenhang an die Wahrnehmung und die Prüfung, ob der im Gesamtzusammenhang gefundene Begriff zur Wahrnehmung passt. Die Analyse ist Deduktion. Ohne die Begriffe ist das Unmittelbar–Gegebene reines Chaos. Das Denken strukturiert durch die Begriffe, die es an das Unmittelbar–Gegebene heranführt, die Wahrnehmung in unserem Bewusstsein ihren Gesetzmässigkeiten gemäss. Die Gesetzmässigkeiten sind aber der Wahrnehmung inhärent. Sie geben der Wahrnehmung die Form, die wir durch das Denken nachvollziehen und als solche in Form des Begriffs erkennen. Das Unmittelbar–Gegebene steht im allgemeinen Weltzusammenhang drin. Die Geraden bilden in ihrem Zusammenhang die Flächen, die Flächen die Würfel, die Würfel den Kristall, die Kristalle die Mineralwelt. ‚Mineralwelt‘ ist der Oberbegriff für die anorganischen Erscheinungen, zu diesem Oberbegriff finden wir den Begriff des Seins, für den Begriff des Seins finden wir dem Begriff, aus dem heraus alle Begriffe gefunden werden. Das ist der Begriff des Begriffs oder das Begreifen des Begriffs. Dies Wiederum ist die Fähigkeit unseres Denkens. Darüber muss man immer wieder nachdenken. Es ist so, der Begriff des Begriffs ist die Fähigkeit unseres Denkens. Durch sie können wir die Begriffe erst an die Wahrnehmung heranführen und dadurch aus der Wahrnehmung in unser Bewusstsein aufnehmen.
Was ist geschehen?
Wir haben aus der Wahrnehmung die ihr inhärente geistige Seite, den Begriff durch das Denken herausgelöst, indem wir ihn durch Deduktion aus dem allgemeinen Begriffszusammenhang der Welt an die Wahrnehmung herangeführt haben. Er wird an der Wahrnehmung geprüft, ob er passt. Passt er, dann ist der Begriff individualisiert. Zur gleichen Zeit ist die Wahrnehmung für unser Bewusstsein in den allgemeinen Begriffszusammenhang gestellt, das heisst universalisiert. Wir haben den individualisierten Begriff wieder zurückgeführt in den allgemeinen Weltzusammenhang. Wir haben die Synthese durchgeführt. Die Zusammenschau durch das Denken. An der Erfahrung haben wir den Begriff geprüft, analysiert und durch Induktion wieder in den Gesamtzusammenhang gestellt. Wenn diese Bewegungen der Analyse, d.h. dem Herauslösen aus dem gesamten Begriffszusammenhang und der Synthese, d.h. dem Wiedereinfügen in den Gesamtzusammenhang der Begriffe vollbracht sind, findet Evidenz, d.h. unmittelbare Einsicht, bzw. Erkenntnis statt. Wir kennen dieses Aha-Erlebnis als das belebende Element, das uns im Forschen motiviert und weiterführt. Wir haben eine Vorstellung gebildet. Diese bleibt in unserem Gedächtnis. Den Begriff haben wir mit anderen Begriffen aus weiteren Wahrnehmungen durch das Denken in einen Zusammenhang gebracht. Dies ist geschehen dadurch, dass wir aus der Verbindung von Begriffen Urteile gebildet haben. Die Urteile haben wir wiederum zu Schlüssen verbunden. Die Schlüsse sind nun aber wieder Begriffe auf einer höheren Stufe.
Durch die der Wahrnehmung inhärente Gesetzmässigkeit wird unser Denken angeregt in der Hierarchie der Begriffe als reines Denken bis zum Begriff des Seins aufzusteigen. Die nächst höhere Stufe kann nur die des Begriffs von den Begriffen sein, was die Fähigkeit des Denkens ist. Da wird unser Denken, das wir selber hervorgebracht haben, selbst zur Wahrnehmung.Somit haben wir hier im Denken des Denkens die Gegenüberstellung des reinen Denkens und der reinen Beobachtung. Da sind wir wirklich im Geiste tätig. Beobachten und Denken sind also Grundinstrumente jedes Menschen, aber insbesondere des Wissenschafters. Der Anstoss zur Beobachtungs-Aktivität und zur Denkaktivität kommt aber aus der Erfahrung. In Beobachten und Denken sind wir empirisch tätig.
Es gibt keinen transzendentalen, ausserideellen Weltzusammenhang. Der Wissenschafter hat durch die individuelle Anwendung der Fähigkeit des Denkens, durch den Denkwillen also, das allgemeine Naturgesetz erkannt, das im Unmittelbar-Gegebenen real wirksam ist. Die Erkenntnis ist folglich ein subjekt-allgemeiner Vorgang.

3. Einer wirklich naturwissenschaftlichen Erkenntnis muss der Kreislauf der Induktion und Deduktion zu Grunde liegen, so wie er oben dargestellt ist. Das Unmittelbar–Gegebene ist, wie wir gesehen haben, für unsere Sinne ‚Wahrnehmung‘ und für unser Denken ‚Begriff‘. Wenn wir jetzt, von der Erfahrung ausgehend, nur den induktiven Teil der Erkenntnis ausführen, so führt das nicht zu einem Naturgesetz, sondern nur zu statistischen Erhebungen auf Grund der Erscheinungen, die man im günstigsten Fall als ein empirisches Gesetz ansprechen kann. Daraus entstehen Paradigmen. Diese sind die Grundlagen von computergestützten Diagnosekonzepten.
4. Im umgekehrten Fall, wo nur die Deduktion durchgeführt wird und die Ableitung aus vorausgefassten, aus dem Gesamtzusammenhang geholten Begriffen geschieht, führt dies ebensowenig zu einer Erkenntis der inhärenten Gesetzmässigkeit, sondern zur Hypothese. Erkenntnis des vor allem Denken Unmittelbar-Gegebenen kann also nur durch den Kreislauf von Deduktion und Induktion, bzw. von Analyse und Synthese stattfinden. Erst dadurch gelangen wir zur Erkenntnis der Wirklichkeit, die vor uns liegt. Das heisst wir erkennen die Idee in der Wirklichkeit.

Diese Tatsache Tatsache wurde von Goethe in die folgenden Dichterworte gekleidet:
„ Was ist das Allgemeine? Der besondere Fall. – Was ist der besondere Fall? Millionen Fälle.“

Von der Systemwissenschaft wird diese Sichtweise aufgegriffen, indem sie sagt, dass in jedem System eine Wechselwirkung zwischen dem Teil und dem Ganzen bestehe. Wobei sowohl dem Teil, als auch dem Ganzen im Ganzen Kosmos nichts Ideelles zukomme, denn ein solches ist nicht erkennbar und die wissenschaftlich anerkannten Gesetzmässigkeiten sind blosse Konstrukte, die durch intersubjektive Konvention zu Paradigmen werden, die man dann widersprüchlich als relative Realitäten behandelt. Briggs und Peat, die amerikanischen Wissenschafter und Nobelpreisträger sagen:
„... dass die Gestalt des Ganzen vom winzigsten Teil abhängt. So gesehen ist der Teil das Ganze, und das Ganze der Teil, denn durch das Wirken jedes Teils kann sich das Ganze in Gestalt des Chaos oder des Wandels manifestieren. Dieser den Wandel bewirkende Teil, der Anfang des Ganzen, ist die Informationslücke.“ Sie ist das Prinzip, das im System, bzw. im wahrgenommenen Objekt oder im Organismus als konstituierendes Prinzip wirkt. Dieses Prinzip ist nicht erkennbar, wirkt also als etwas ‚Transzendentales‘, ‚Ausserideelles‘. Die Systemwissenschaft nennt es das ‚autopoietische Prinzip‘.

Die Frage des wach denkenden Menschen, der nicht der Faszination ausgeliefert ist, kann nur lauten:
„Wie soll ein Prinzip transzendent sein, also nicht erkennbar sein, wenn es sich im Teil und im Ganzen manifestiert?“

Da können wir wiederum mit Goethe sagen:
„Das Höchste wäre, zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist. (...) Man suche nur nichts hinter den Phänomenen: Sie selber sind die Lehre“
Anders gesagt: Was ist, ist. Was nicht ist, ist nicht. Es gibt keine Informationslücke.

Wir müssen lernen, das Unmittelbar-Gegebene in seiner Gesetzmässigkeit, in seinem Begriff, in seinem Wesen zu erfassen. Denn dieser ist für das Denken dasselbe, wie wie das Unmittelbar-Gegebene für die Sinneswahrnehmung. Das geschieht dadurch, dass wir alle uns zugänglichen Phänomene der Erscheinung beobachten und sie durch unseren Denkwillen in einen Zusammenhang bringen. In der anorganischen Welt der Physik und der Chemie heisst die Methode des Erfassens ,Kausalität‘. Ihre Berechtigung liegt in der Welt des Gewordenen. Wenn - Dann Beziehungen, lineare Ursache-Wirkung – Beziehungen haben da ihre Gültigkeit. Die Kybernetik versucht nun durch die Idee der Rückkoppelungsprozesse die Welt des Organischen zu erfassen. Aber selbst mit den raffiniertesten reentrenten Regelkreisen und seien sie noch so komplex, kann die Realität der Gleichzeitigkeit in der Entwicklung eines Organs, sei es pflanzlicher oder tierischer Art nicht erfasst werden. Denn im Regelkreis gibt es immer ein Vorher und ein Nachher. Das Programmieren geht der Animation immer voraus. Ist also immer vergangenheitsbezogen.
Die Welt des Seelischen, der Instinkte, Triebe und Begierden, die in den Empfindungen der Tiere und uns Menschen wirken, können wir ebenfalls nicht durch das kausale Denken, das vergangenheitsbezogen ist, erfassen. Das seelische Leben kann nur durch das finale Denken erfasst werden. Dieses setzt sich Ziele und Zwecke, die es erreichen will, ist also zukunftsgerichtet, selbst wenn die Motive vergangenheitsbezogen, also kausal begründet sind. Mit dieser Denkmethode befinden wir uns im Zeitstrom der uns aus der Zukunft entgegenströmt. Die finale Denkmethode ist als die Methode der Psychologie.

Die Gesetzmässigkeiten in der Welt des Lebens, des Organischen also, können wir nur erkennen und verstehen lernen, wenn wir die in ihrer Gleichzeitigkeit auftauchenden Phänomene durch das Denken in einen Zusammenhang bringen. Aus diesem Zusammenhang spricht die Gesetzmässigkeit des lebendigen Organismus. In der Erscheinung der Gesetzmässigkeit erkennen wir, ob ein Organ und damit der ganze Organismus gesund oder krank ist. Wir erkennen dies durch das geistesgegenwärtige Beobachten der Phänomene. Geistesgegenwärtig heisst, dass wir die Phänomene durch den Denkakt im Zusammenhang ihrer gleichzeitigen Entwicklung verfolgen. Es ist dieses die simultan-korrelative Denkmethode. Damit können wir das Lebendige erfassen. Es ist das simultan-korrelative Denken die Methode die der Diagnose und Prognostik zugrunde liegt.
Durch die Kausalität der Regelkreise, die in der systemischen Methode angewendet werden, hinken wir der Gegenwart ständig hintendrein. Wir sind dadurch realitätsfern. Durch die finale Denkweise projizieren wir Vorstellungen in unsere Wahrnehmungen, die mehr unseren Wünschen entsprechen, die wir uns also aus der Zukunft erhoffen. Wir bewegen uns dadurch ebensfalls realitätsfern.

Im simultan korrelativen Erfassen der Erscheinungen sind wir fähig, geistesgegenwärtig zu handeln. Dies kann uns auch das raffinierteste Computersystem nicht ersetzen, denn es gibt keines, das nicht vergangenheitsbezogen programmiert ist. Selbst wenn es irgendeinmal gelingen sollte, den Computer durch Kameras an den Phänomenen teilhaben zu lassen, kann er nur programmierte Daten aus dem sekundären Cyber-Weltzusammenhang kombinieren und solche Kombinationen ausspucken. Er kann nicht aus der Gesamtschau menschlichen Wahrnehmens in Geistesgegenwart das tun, was in der besonderen Situation aus einer Intuition heraus getan werden muss. Ein aus dem simultan-korrelativen Denkakt resultierender Geistesblitz, eine Intuition eben aus dem realen primären Weltzusammenhang, kann sämtlichen anerkannten Regeln und Paradigmen widersprechen und für die reale Situation eben doch das Richtige sein. Es ist dies die Erkenntnis der Idee in der Wirklichkeit. Diese kann zu keiner Zeit und in keiner Maschine programmiert werden, die nur Resultate aus einem sekundär-konstruierten Cyber-World-Zusammenhang auspucken kann.

Zum Schluss wollen wir einen Blick auf den geschichtlichen Werdegang des postmodernen Welt- und Menschenbildes werfen. Unsere Denkkultur findet ihren Ursprung in den philosphischen Systemen von Platon und Aristoteles.
Platon sagt, dass Wirklichkeit nur den allgemeinen Ideen zukomme und das das Besondere nur eine schattenhafte, von den allgemeinen Ideen abgeleitete, unvollkommene Nachbildung sei.
Aristoteles folgt seinem Lehrer darin nicht. Das Allgemeine ist ihm nicht ein ideelles, gleichsam jenseitiges Urbild. Er sagt: Wenn wir eine allgemeine Gesetzmässigkeit aussprechen, so können wir das im Grunde immer nur aus den in Raum und Zeit existierenden Einzeldingen herausholen. Auf sie beziehen sich alle unsere Urteile.
Wichtige Nachfolger Platos finden wir in Plotin, der eine ähnliche Ideenlehre vertritt und dann den Kirchenvater Augustinus. Dieser ist einer der ersten Menschen, der in seinem individuellen Denken, den Beweis seiner persönlichen Existenz sieht. Durch seine Trinitätslehre schafft er aber die Grundlage für eine grosse Verwirrung in der Entwicklung des menschlichen Denkens. Er sieht die drei Personen der Gottheit, also den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist nicht als eine subtantielle, quantitative oder qualitative Unterschiedenheit an, weil eine solche gar nicht bestehe. Das ewige Verhältnis der dreieinigen Personen wird einzig durch die Begriffe bezeichnet. Dennoch meinte er das nicht abstrakt, sondern im Sinne von Plato völlig real. Dergestalt stellte er sich also das Allgemeine vor, aus dem das Besondere, die Einzeldinge fliessen. Es ging ihm vor allem darum, ein für allemal zu verhindern, dass die Dreieinigkeitslehre zu einer Drei-Götterlehre verkommen könnte.

Der denkende Mensch muss sich allerdings die Frage stellen, wie ein subtantiell, qauntitativ und qualitativ nicht Unterscheidbares in eine ewige Relation treten kann. Wie soll eine ununterschiedene und ununterscheidbare Dreiheit in eine ewige Relation treten?
Es ist dies eine Frage die man nicht stellen darf, denn dieses Dogma bildet sowohl für die protestantische, als auch für die katholische Kirche die Grundlage ihres Dreieinigkeitsglaubens.
Es liegt hier aber nicht nur die Wurzel der kirchlichen Dogmen, sondern wie wir späterhin sehen werden, auch der Grund für naturwissenschaftliche Dogmen. Diese Dogmen werden über Jahrhunderte gelehrt und wirken bewusstseinsprägend aus dem kollektiven Unbewussten der Menschheit heraus. Je mehr wir sagen, dass uns eine solche Wirkung nicht berühre, desto kräftiger wirkt sie.
Durch diese unklare Deutung der Trinität wird die Grundlage dafür geschaffen, dass das Glaubensbekenntnis der allgemeinen katholischen Kirche einen Zusatz erhält. Sie werden gleich sehen, warum es so wichtig ist, dass wir diesen geschichtlichen Exkurs machen.
Während in den Glaubensbekenntnissen der beiden Konzilien zu Nicäa (325 n.Chr. und 381 n. Chr.) die Trinität als drei selbständige Personen, die als eine Ganzheit auftreten, verehrt wird, kommt es nach dem Dogma von Augustinus (ca. 395 n. Chr.) immer wieder zu grundsätzlichen Diskussionen über die Wirklichkeit der Trinität. Im 6. Jahrhundert n.Chr. (589) wird in Toledo ein Zusatz zum Glaubensbekenntnis von Nicäa 381 n. Chr. angefügt. Dieser lautet:
...Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, ...



lateinisch: ...Et in Spiritum Sanctum, Dominum et vivificantem,
qui ex Patre Filioque procedit. ...

Dieser Zusatz wird im Jahre 869 n. Chr. zum Kirchendogma. 879 wird er wieder aufgehoben, aber im Jahre 1215 n. Chr. offiziell und definitiv wieder eingeführt. Er ist bis heute gültig.
Im Mittelalter, in der Scholastik, hat sich aber noch anderes sehr Wesentliches getan, was unser Denken und damit das Denken der Wissenschaft bis heute in ungeahnter Weise prägt:
Ein missdeuteter, abgewandelter Platonismus lebte fort in Anselm von Canterburry (1033 bis 1109). Er gehört zur scholastischen Strömung der Realisten. Sie betrachteten einzig die Ideen als real. Glauben aber an eine ausserideelle, transzendentale, also nicht erkennbare Gottheit, die diese Ideen bewirkt. Ihr Motto ist:
„Credo ut intelligam – ich glaube, damit ich verstehen kann.“

Der Aristotelismus lebt in abgewandelter und missdeuteter Weise in den Nominalisten (Johannes Roscellinus, 1050 – 1120) der Scholastik fort, die sagen, dass einzig und allein die Einzeldinge real, die allgemeinen Begriffe aber abstrakt zu diesen hinzugefügt seien.
Der Grundsatz der Realisten war, dass nur die Ideenwelt real, aber von einem transzendenten Gott bewirkt sei und die Einzeldinge ein schattenhafter Abglanz davon: Universalia ante res.
Der Grundsatz der Nominalisten war, dass nur die Einzeldinge real und die Ideen oder Begriffe von den Einzeldingen durch den Verstand abgezogen und abstrakt dazugefügt werden: Universalia post res.
Der Streit zwischen diesen beiden Strömungen wurde durch Petrus Abälardus (1079 –1142) geschlichtet, in dem er erkannte, dass die Ideen real und nicht von einer ausserideellen Gottheit bewirkt in den Einzeldingen lebendig wirksam seien. Er sprach aus: „Intellego ut credam – ich erkenne, auf dass ich glaube“.
Sein Grundsatz ist, dass die Gesetzmässigkeiten der Erscheinungen in ihnen selber wirken. Sein Prinzip war: Universalia in rebus.
Er hat den Erkenntnisstreit vorübergehend geschlichtet. Erstaunlicherweise geriet seine Erkenntnis leider in Vergessenheit. Erstaunlich deshalb, weil durch diese Einsicht das Erkenntnis-Problem gelöst wäre.
Damit haben wir zusammengetragen, was heute im Denken der Menschen unbewusst wirksam ist, auch und vor allem im Denken der Naturwissenschaft.
1. Gehen wir vom christlichen Konzept der Trinität aus: Es rührt her aus dem Bedürfnis den Urgrund allen Seins zu verstehen. Wenn wir vom Werden alles Möglichen ausgehen, dann sehen wir, dass alles, wirklich alles aus drei Qualitäten besteht:
- Der Qualität der Form (Gesetzmässigkeit, Idee, Begriff): diese scheint dem Geist zu entsprechen.
- Der Qualität der Substanz (Stoff, Materie): diese scheint dem Vater zu entsprechen
- Und der Qualität des Verhältnissses zwischen Form und Substanz: Der Werdeprozess des in das Verhältnissetzen scheint dem Sohn zu entsprechen. Das ist der Denkwille, der in der Natur in den Biozönosen als Regulativ des Fliessgleichgewichts wirkt und im Menschen durch die Gesetzmässigkeit von Inkarnation und Exkarnation bewusst, also individualisiert wird. Diese Gesetzmässigkeit ist auch die Gesetzmässigkeit des Sohnes, des Christus.
In der Bewusstwerdung des Denkwillens und der Erkenntnis der Idee in der Wirklichkeit schaffen wir den Durchbruch zur Mentalebene III. Das ist das Bewusstsein unseres realen Ichs, als Denkwille und Ideenrealität. Und das ist der dritte Schritt, den wir im heutigen Referat miteinander nachvollziehen.
Die Dreiheit von Substanz, Verhältnis und Form ist allen Erscheinungen als Einheit inhärent, auf jeder Ebene des Seins und des Daseins. Es gibt nur diese Möglichkeit des Erscheinens:
In der anorganischen Welt, in der sich die Urphänomene als Naturgesetze zeigen. In der organischen Welt der Pflanzen, in der sich Systole und Diastole in der Metamorphose des Blattes als Gesetz und Idee des Pflanzentypus zeigen. In der Empfindungswelt der Tiere und der Menschen, in welcher sich Sympathie und Antipantie durch Bildung eines Innenlebens in der biologischen Gesetzmässigkeit der Involution und Evolution als der Gesetzmässigkeit des Tiertypus zeigen. Und der Welt der Gedanken und Ideen des Menschen, die sich durch die Gesetzmässkeit von Inkarnation und Exkarnation des Denkwillens auf der Erde manifestiert. Ja selbst ein Gedanke muss aus Gedankensubstanz bestehen, denn sonst könnte man ihn nicht in eine Form bringen und er wäre für den aktiv mitdenkenden Mitmenschen nicht wahrnehmbar.
Wenn nun gesagt wird, dass Geist (Form), Vater (Substanz) und Sohn (Verhältnis) eine substantielle, qualitative und quantitative Ununterschiedenheit aufweisen, wird die Klarheit in der Welt- und Menschenerkenntnis vernebelt.
Wird dann zusätzlich durch das Filioque dogmatisch indoktriniert, dass der Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgegangen sei, dann heisst das, dass die Form aus der Substanz und dem in der Erzeugung der Form entstehenden Verhältis hervorgegangen sei. Das ist die Selbstorganisation der Materie, die Autopoiesis der postmodernen Wissenschaft der systemischen Theorien.

2. Den scholastischen Realismus des ausserideellen Wesens, das damals Gott genannt wurde, das transzendental wirken und unsere Ideen und Vorstellungen bewirken soll, finden wir als völlig verwandelten und verkannten Platonismus in Kants nicht erkennbarem „Ding an sich“ wieder.
Ebenso finden wir den Nominalismus, der sagt, dass wir den Erscheinungen in unserer Wahrnehmungswelt, also dem „Ding für uns“ einfach unsere subjektiven Vorstellungen überstülpen, als verwandelten und verkehrten Aristotelismus bei Kant wieder. Dieser sagt, dass die Erscheinungen ebenso wie die Naturgesetze nur unsere subjektiven Projektionen seien.
Dass die Gesetzmässigkeiten den Erfahrungsgegenständen real inhärent und keine Projektionen sind, haben wir dargestellt. Diese Erkenntnis verbindet richtig verstandenen Platonismus mit richtig verstandenem Aristotelismus und bekommt vor dem Hintergrund des vorgängig entwickelten Trinitätsprinzip einen strahlenden Glanz. Dieser Glanz erstrahlt aus dem freien und eigenständigen Erkenntnis-und Entscheidungsvermögen der uns umgebenden Mitmenschen, insofern sie dieses entwickelt haben. Dieser Glanz erstrahlt aus uns, den uns umgebenden Mitmenschen entgegen, insofern wir das eigenständige Erkenntnis- und Entscheidungsvermögen entwickelt haben. Das geschieht durch die Individualisierung des Denkwillens.

Diese Gedanken sind weiter entwickelt und ausgeführt in den folgenden Büchern aus dem Grin-Verlag München, Akademische Bücherreihe:
- Wut, Chaos und Zerstörung. F. Frey, Grin-Verlag München, 2007.
- Der entscheidende Zeit-Not-wendige Schritt. F. Frey, Grin-Verlag München, 2006.
- Die Informationslücke. F. Frey, Grin-Verlag München, 2006

Informationslücken

Die Art und Weise wie heute gedacht wird, ist geprägt vom Subjektivismus/ Konstruktivismus. Es ist dies die einzig akzeptierte Denkweise. Dadurch wird sie dogmatisch. Über diesen Sachverhalt möchte ich mich äussern und nach Möglichkeit in Austausch kommen. Dazu ein erster Text:

„Die Informationslücke“

Guten Abend meine Damen und Herren,

„Es geht um Sie und um Ihr Gehirn!“ so begrüsst der Moderator, Manfred Spitzer, Neurologe und Psychiater, in der Sendung „geist und gehirn“ des Bayrischen Fernsehens seine Zuschauer. Diese Begrüssung wirkt sehr suggestiv. So würde es auch suggestiv wirken, wenn ich sagte: „Guten Abend meine Damen und Herren: Es geht um Sie und um Ihr Ich.“ Es würde, es müsste suggestiv wirken, wenn ich es Ihnen nicht sagen würde, dass so etwas suggestiv wirkt. Was macht der gewiefte Redner, der geschult ist, die Zuhörer für sich einzunehmen, Ihnen sein Anliegen zu verkaufen. Er benützt bestimmte Tricks, die von den Gehirnforschern, den Neurophysiologen, den postmodernen Pädagogen und Psychologen für die Verkaufspsychologie und das Verkaufsmanagement benützt werden. Sie können diese bei jedem Kauf, sei es ein Auto, ein Küchengerät, eine Hypothek oder eine Versicherungspolice, beobachten. Es gibt eine bestimmte Methode, wie vorgegangen wird, auch wenn ein Telefonanbieter Sie zum Wechsel vom alten Anbieter zum ihm selber, als neuem überreden will. Auch die Politiker machen es so, wenn sie die Bevölkerung vor den Wahlen oder vor einer Abstimmung für eine bestimmte Sache gewinnen wollen. Man nennt dies, wenn man ehrlich ist: Propaganda. Da man aber heute nicht mehr so ehrlich ist, nennt man es Verkaufspsychologie. Es ist ein anderes Wort für dasselbe.

So habe ich aus einer Verkaufsmanagement-Ausbildung ein Script vor mir mit dem Titel: ‚Die Fähigkeit, andere zu faszinieren‘. Im Etymologie-Duden (Herkunftswörterbuch) findet sich folgende Wortherkunft: faszinieren – „entzücken, bezaubern“/ im 18. Jh. aus lat. Fascinare – „beschreien, behexen“ entlehnt, dessen Vorgeschichte nicht eindeutig geklärt ist. Dazu das Substantiv Faszination – „ Bezauberung“ (aus lat. Fascinatio „Beschreiung, Behexung“). Es wird darin geraten, für den potentiellen Kunden im Gespräch über das zu tätigende Geschäft ein Bild oder eine Situation zu entwickeln mit der er sich identifizieren kann. Sehen Sie genau das, was ich jetzt auch versuche. Nur besteht der Unterschied darin, dass ich es Ihnen sage, dass ich es versuche und Sie sich auf Grund meiner Aussage genau kontrollieren können, was mit Ihnen geschieht. Der Verkäufer, der Politiker oder der Fernseh-Moderator tut dies natürlich nicht, denn er ist nicht auf wache Kunden angewiesen, sondern auf solche, die sich faszinieren lassen. Solche, die in gewisser Weise in eine Art von bildhaftem Träumen versinken. Ich dagegen bin auf ein waches Publikum angewiesen, das versucht mitzudenken, das versucht, in der Denkkbewegung und der Gedankenentwicklung mitzugehen und die Sache im Nachhinein zu bewegen und zu prüfen, ob das wirklich stimmt, was der Referent versucht hat, darzustellen.

Wie hängt das zusammen mit uns selbst? Meine Damen und Herren, hier geht es jetzt gemäss der Gehirnforschung um Ihr Gehirn. (Wir werden aber sehen, dass das Gehirn in gewisser Weise bloss das Werkzeug für diese Vorgänge ist, dass aber die Neurophysiologie die Hypothese aufstellt, dass es so ist, wie ich es ihnen jetzt vorerst einmals darstelle.) Warum müssen wir die Denkweise und die Methode der Neurophysiologie und Neuropsychologie kennenlernen? Wenn wir uns nicht ganz in dieses Denken hineinbegeben können, können wir es auch nicht verstehen. So wenig wir einen Menschen verstehen können, wenn wir uns nicht ganz seiner Denkweise und seinem Fühlen öffnen wollen:
Das Eigene muss fremder werden.
Das Fremde muss eigener werden.
Denn tun wir das nicht, dann sind wir voll und ganz von Vorurteilen absorbiert und haben keine Chance, zu verstehen. Die Sprachwissenschaft nennt dieses ,Sich – einlassen – können und wollen‘ auf den Andern oder die andere Denkweise das „principle of charity“. Französisch gibt es dafür den schönen Ausdruck „La confinance des âmes“. The principle of charity: Das Prinzip der Güte, der Milde, der Nächstenliebe. Ohne dieses Prinzip können wir nicht verstehen, können wir nicht vorurteilslos beurteilen. Verurteilen tun wir schon gar nicht, auch wenn wir nachher das Gefühl haben: „Hoppla, jetzt hat mich der aber arg über den Tisch gezogen.“ Wir verurteilen ihn nicht, weil wir selber schuld sind, wenn wir uns übers Ohr hauen lassen.

Sehen Sie, den Verkäufer, den Manager, den Politiker oder den Fernseh-Moderator in seiner Denkweise verstehen wollen, heisst noch lange nicht, dass ich ihm auch recht gebe. Es heisst bloss, dass ich durchschauen will, was sich im Verhältnis von ihm zu mir, im Verhältnis von mir zur Gesellschaft und im Verhältnis von ihm zur Gesellschaft abspielt.

Wovon geht also der aus, der mich faszinieren will? Er geht davon aus, dass in unserem Gehirn der übergeordnete Verhaltensregler, der Faszinationsregler sitzt. Er sitzt im Zwischenhirn, dieser Faszinationsregler sitzt im Zwischenhirn.
Blicken wir kurz in unser Gehirn. Der kanadische Gehirnforscher, Mac Lean, spricht vom dreieinigen Gehirn. Seltsamer Ausdruck für unser Gehirn. Der Begriff dreieinig erinnert uns an den dreieinigen Gott. Es wird wohl nicht so sein, dass der Naturwissenschafter im Gehirn einen Ersatzmythos für die trinitäre Erscheinungsweise Gottes sieht?

Worin besteht also dieses dreieinige Gehirn? Es ist das vorerst einmal der Hirnstamm mit dem verlängerten Rückenmark (medulla oblongata), der Brücke (Pons), dem Cerebellum (Kleinhirn) und dem Mittelhirn. Mac Lean nennt dieses Gehirn das Reptiliengehirn, da es der am wenigsten weit entwickelte Teil des Gehirns ist und als Kontrollzentrum unbewusster, gefühlloser, roboterähnlicher Programme, die dem Reptilienverhalten ähneln, schildert. Dann folgt das Zwischenhirn, welches er als Altsäugergehirn bezeichnet und als den Versuch der Natur, dem Reptiliengehirn eine Denkkappe zu verpassen. Was geschieht denn da?

Das Zwischenhirn umschliesst den Hirnstamm wie einen Saum (Limbus), deswegen wird es auch als ‚limbisches System‘ bezeichnet. Mac Lean nennt es ‚Altsäugergehirn‘. Es ist in der Entwicklung schon weiter vorangeschritten als das Reptiliengehirn. Es verbindet die Informationen, die aus der Aussenwelt verarbeitet werden, mit denjenigen, die aus der Innenwelt des Menschen stammen. Der Mensch ist seiner Organnatur gemäss ein Wesen, das sich gerne wohlfühlt, das sich das Leben gerne bequem und angenehm einrichtet. Wir stecken ja heute in der postmodernen Gesellschaft des Wellness-Zeitalters.
Wenn ich nun als Moderator, Referent, Politiker, Manager, Wissenschafter oder Verkäufer von aussen ein Bild, eine Situation entwerfe, die im Innern auf Zuspruch trifft, dann bestimmt dieser Zuspruch aus der Innenwelt der Bedürfnisse, der Instinkte und Triebe der Organe meine Vorstellungswelt im Grosshirn, dem Neusäugergehirn.

Da haben wir also das dreieinige Gehirn nach Mac Lean: das Reptiliengehirn (verantwortlich für unser Reflex und Instinktverhalten), dann das Altsäugergehirn, dem durch die Verbindung der Aussenwelt mit der Innenwelt das emotionale Erleben des Menschen entspringt und dann das Neusäugergehirn, in dem die Spuren aller unserer Erfahrungen vor- und nachgeburtlich in den sogenannten globalen Speicherkarten gespeichert sind und in Wechselwirkung mit den beiden anderen Gehirnteilen stehen und durch die Emotionen aus der Innenwelt zum Impuls von Vorstellungen werden, die uns für oder gegen das Produkt entscheiden lassen.

Es ergeben sich nun drei mögliche Reaktionen

- Das Angebot gefällt. Es spricht mein Innenleben an. Ich öffne mich. Ich interessiere mich für das Produkt und will mehr wissen. Das ist für den Verkäufer sehr positiv: Seine Identifikation mit dem Produkt kann ihn zu einer fantasievollen Schilderung anspornen, die die Kauflust des Kunden zum Kauf des Produktes steigert. Übertragen sie diese Sache auf die Politik, den Sport, den Referenten, den Manager, den Fernsehmoderator.

- Das Angebot lässt kalt. Der Konsument spürt, dass hier der Verkäufer sein Pflichtprogramm abspult. Es gibt keine Identifikation und kein Interesse. Der Verkäufer brennt nicht für sein Produkt. Nur wer selber brennt, kann andere anzünden.

- Das Angebot wird vom Kunden als gar nichts Besonderes angeschaut. Jetzt kann der Verkäufer, Politiker, Moderator, Referent Gefahr laufen, den Konsumenten überzeugen zu wollen. Es gibt einen Wortwechsel, der sehr unangenehm sein und sogar in Streit ausarten kann, wenn der Verkäufer nicht geschickt die Ablehnung aufnimmt und die Argumente des Konsumenten verstehen will, sich für diese zu interessieren beginnt und durch das Eingehen auf ihn den Faszinationsregler doch noch in positiver Weise beeinflussen kann.

Alles hängt von der Überzeugung des Verkäufers ab, von seiner Begeisterung und vom Bewusstsein des Konsumenten. Denn dieses wäre hier das Zentrale. Der Verkaufspsychologe, die ganze Werbeindustrie versucht gerade die Bewusstseinslage oder besser gesagt die Unbewusstseinslage des Zielpublikums auszunützen. Man versucht das Zielpublikum zu entmündigen, anstatt es als mündig und damit selbständig urteilsfähig anzusprechen.

Wo liegt jetzt das Problem bei diesen ganzen neurologischen Hypothesen und Paradigmen?
Die Paradigmen, von denen Mac Lean nur einer von vielen Vertretern ist [andere sind z. B. die Professoren Edelmann und Tononi (Gehirn und Geist) oder die Chaos – Forscher Briggs und Peat (Die Entdeckung des Chaos), auch Niklas Luhmann (der deutsche Vordenker der Systemtheorie, die aus der Chaos-Theorie hervorgeht) oder Michel Foucault gehen ausgesprochen oder unausgesprochen von dieser Aussage aus], diese Paradigmen also sagen:

„Unser menschliches Gehirn ist gleichsam die Zusammenfassung seiner evolutionären Vergangenheit. Wir sind Erben der Struktur und Organisation dreier grundlegend verschiedener Gehirne, die wie drei miteinander verschaltete biologische Computer funktionieren, wobei jeder seine eigene Subjektivität und Intelligenz, seine eigenen Zeit- und Raumvorstellungen sowie sein eigenes Gedächtnis besitzt.“

Sie sprechen dabei von den reentranten Wechselwirkungen zwischen diesen drei Gehirnarten und den Regionen und Organen in diesen drei Gehirnen. Diese Wechselwirkungen sind ungeheuer komplex. Wenn man sich vorstellt, dass es geschätzte 10 bis 15 Milliarden Gehirnzellen gibt, von denen jede wiederum ungefähr 10'000 synaptische Verbindunguen aufbaut, so kommt es zu 10 bis 20 Billionen von möglichen Verbindungen und Wechselwirkungen, die stets an der Stelle weiterwirken können, wo ihre Tätigkeit vorher unterbrochen wurde, das heisst, dass sie in reentranter Bereitschaft stehen.

Die gängige Wissenschaftstheorie geht nun davon aus, dass aus diesen Wechselwirkungen das menschliche Selbst- und Weltbewusstsein hervorgeht. Unsere Vorstellungen von der eigenen Person und von den Dingen, den Objekten in der Welt, die wir in uns tragen, sind ja nicht sichtbar, sondern sie sind unsichtbar, also geistiger Natur. Wir stülpen diese Vorstellungen über die Dinge der Welt, über Steine, Pflanzen, Tiere, Menschen und alle Dinge und meinen, sie seien so wie sie uns erscheinen. Der Gehirnforscher sagt, dass das die grosse Täuschung sei. Dass das reine Projektionen dieser reentranten Wechselwirkungen zwischen den drei Teilen unserer dreieinigen Gehirns, den Funktionszentren untereinander, den Nervenzellen und den Synapsen unseres motorisch-sensorischen Nervensystems und unseres vegetativen Nervensystems seien. Damit ist gesagt, da Vorstellungen ja geistig sind und niemand sagen kann, wir hätten keine Vorstellungen, dass der Geist aus der Materie entsteht. Damit haben die Gehirnforscher ein Rätsel gelöst, das der ganzen materialistischen Naturwissenschaft ganz übel auf dem Magen lag und mit dem sie sich unendlich schwer getan hat. Denn das Ablehnen des Geistes heisst eigentlich, dass man ihn anerkennt. Man kann ja nichts ablehnen, was es nicht gibt. Das hat schon Hegel ganz deutlich erkannt und dargestellt in seiner Phänomenologie des Geistes, wo er sagt, dass die Negation der Negation in die Affirmation mündet.

Wenn der Gehirnforscher nun das Paradigma aufstellt, dass durch die billionenfachen reentranten Wechselwirkungen in unserem Gehirn und was noch vervielfältigt wird durch die Wechselwirkungen zwischen dem Nervensystem und den Hormonen, Geist und Seele entstehen, dass damit die Vorstellungen von Ich und Welt und damit auch diejenigen vom Geist reine Illusionen seien, so entzieht er dem Menschen seine eigentliche Daseinsgrundlage, nämlich die Wirklichkeit.

Täuschen Sie sich bitte nicht darüber hinweg, was solche Paradigmen für eine Wirkung haben auf unser Alltagsdenken. Denn in den Denkfabriken, den Universitäten wird das Gedankengut geprägt, das in unsere Mittelschulen, Primarschulen und Kindergärten und damit in die ganze Gesellschaft sinkt. Das geschieht durch die Ausbildung der Lehrkräfte, die nach den Paradigmen der Wissenschaft ausgebildet werden. Das geschieht heute durch bestimmte Unterrichtsmodule. Die Menschen werden heute moduliert.

Wenn nun die Systemtheoretiker, zu denen die Gehirnforscher nun einmal auch gehören, davon sprechen, dass der Mensch ein psychisches System ist mit einer innerseelischen subjektiven Realität, das sich die Objekte der Welt nur gemäss seiner Subjektivität vorstellt, ja dass auch sein Ich, das er zwar als innerseelische Realität empfindet, ein blosses Konstrukt seiner Subjektivität sei, das hat dann seine Wirkung. Seine verheerende Wirkung, meine Damen und Herren. Wie soll ich als psychisches System der Welt und den anderen psychischen Systemen Achtung und Fürsorge entgegenbringen, wenn sie ja doch nur in meiner Vorstellung existieren? Wie soll ich Selbstachtung und Selbstbewusstsein aufbauen, wenn mein Ich ein blosses Konstrukt ist? Da tu ich doch einfach, was meine Organe verlangen. Es ist ja eh alles subjektiv und damit relativ, da mein Bewusstsein doch nur Resultat aus den reentranten elektromagnetischen Wechselwirkungen der Neuronenfeuerungen in meinem Gehirn ist.

Wenn wir diese Dinge das erste Mal mit unserem gesunden Menschenverstand hören, dann sagen wir: „Das ist doch ein Riesenblödsinn, was sich diese Wissenschafter da ausdenken. Ich bin so wirklich wie der Laternenpfahl, an dem ich meinen Kopf anschlage, wenn ich nicht aufpasse.“ Das ist zwar berechtigt und gesund, das zu sagen und zu denken. Dennoch ist es naiv. Was vorgedacht wird, fliesst in die Anwendung im Alltag ein: in die Pädagogik, in die Ökonomie, die Ökologie, die Medizin, die Psychologie, die Psychiatrie, in alle Fachbereiche und es wird zu unserem Alltagsdenken. Wie oft zieht man sich aus einer Auseinandersetzung, indem man sagt: Ja, es ist halt alles subjektiv. Prüfen sie sich selbst: Wie oft haben Sie sich schon einer inneren Auseinandersetzung entzogen, indem Sie sich gesagt haben: Ja, es ist halt alles relativ.

Aber gehen wir doch dieser Sache richtig auf den Grund. Was ist damit gewonnen, wenn man alles als subjektiv und relativ bezeichnet? Der Mensch wird entwurzelt. Er wird aller kultureller Werte beraubt. Wo bleibt sein Halt, wenn ihm gesagt wird, wenn ihm mit sozusagen mit der Muttermilch der sozialen Entwicklung eingegeben wird: Alles ist relativ, alles ist subjektiv und die gesellschaftlichen Werte sind halt zufällig so zu dem geworden was sie jetzt in unserer Kultur sind, sie könnten auch ganz anders sein. Dasjenige, was du als Ich, als deine Persönlichkeit empfindest, das ist auch nur eine Vorstellung, eine Illusion. Du bist eigentlich gar keine Person, du stellst dir nur vor, du bist eine Person.

Wenn wir das in uns aufnehmen, dann geschieht etwas. Niklas Luhmann hat es immer wieder gesagt, weil er natürlich die Systemtheorie, seine Systemtheorie ernst nahm und die Welt und sich selber dadurch als reine Illusion, ehrlicherweise, bezeichnen musste, er hat es immer wieder mit Kafka gesagt: Es gibt viel Hoffnung, aber nicht für uns.

Wir müssen uns aber von den Gehirnforschern und Systemtheoretikern nicht blenden lassen, nur weil sie sich tiefer in gewisse Paradigmen hineingearbeitet haben als wir. Denn, wenn wir da etwas genauer hinschauen, liegt diesen Paradigmen eine Denkweise zu Grunde, die vor 200 Jahren die Menschen aufgewühlt hat. Es ist die Denkweise von Immanuel Kant, der in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ sagt, dass die Welt unsere Vorstellung sei. Dass die Gegenstände, die Objekte (das uns Entgegengeworfene) nicht erkennbar seien, sondern dass diese nur unsere Vorstellungen seien. Sie, die Dinge an sich, seien nicht erkennbar, denn auf unsere Sinne würden nur die elekromagnetischen Reize, die diese Gegenstände aussenden wirken. Wir würden in unseren Gehirnen diese Reize verarbeiten und dann als das subjektiv erfahrene Ding (wie es für uns ist!!) in die Welt hinausprojizieren. Es ist nichts anderes als das, was heute die postmodernen Gehirnforscher erzählen. Es geht nicht darum diese Forschungsresultate lächerlich zu machen, nein, die wollen wir ernst nehmen und die können den Menschen von grossem Nutzen sein. Nein es geht um die Interpretation dieser Forschungsresultate.

Wir wollen nun diese Sache wirklich genauer durchdenken und uns bemühen, nicht dem Faszinationsregler zu unterliegen. Dieser wird durch die Überzeugungskraft solcher Paradigmen angesprochen. Wir wollen eine Anstrengung erbringen und unsere durch Erziehung und Gesellschaft geprägten Vorstellungen, die so schwer sich verändern lassen in Bewegung versetzen.

Wie verhält sich denn die Aussage, dass die Welt und unser Ich blosse Vorstellungen, Illusionen, Konstrukte seien, die auf Grund reentranter Rückkoppelungssysteme innerhalb und ausserhalb unseres Organismus zustande kommen zu einem wirklichkeitsgemässen Denken?

Wir haben also einen Stuhl vor oder unter uns. Wir können aber von ihm nicht sagen, dass er wirklich ist, denn er ist nur die von ihm über die Vermittlung unserer Sinnesorgane angeregte durch reentrante Wechselwirkung der Gehirnströme in unserem Gehirn zustandegekommene Vorstellung. Auf dem ganzen Weg von aussen in der Welt durch die Sinnesorgane und die Nervenleitungen bis in unser Gehirn ist dieser Gegensand nirgends anzustreffen. Durch die Neuronenfeuerungen in den verschiedenen Gehirnzentren und Ihren Wechselwirkungen entsteht jetzt die Vorstellung ‚Stuhl‘ die wir nach aussen in die Welt projizieren und dann dort als subjektive Wahrnehmung erkennen. Wobei ‚erkennen‘ wohl in Anführungszeichen gesetzt werden muss, denn ‚vorstellen‘ ist angebrachter, da wir das Ding an sich nicht erkennen können, wie es wirklich ist.
So gesehen, wäre eigentlich alles in Ordnung und wir können der Gehirnforschung applaudieren.

Gehen wir die Sache aber nochmals durch, dann müssen wir konsequenter Weise auch unser Auge als Vorstellung, Konstrukt oder Illusion bezeichnen und den Sehnerv auch und unser Gehirn auch, ebenso wie wir die hochwertigen und qualitativ hochstehenden Apparate und die bildgebenden Verfahren [PET (Positronen-Emissionstomografie), MRT (Magnetresonanztomografie) und fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie)], alles alles das wäre nur unsere Vorstellung. Die ganze Welt löst sich auf in Vorstellungen. Vorstellungen, das sagen heute selbst die Gehirnforscher, sind geistiger Natur. Also muss sich alles in Geist auflösen. So passiert etwas sehr sehr Erstaunliches. Der absolute Materialismus löst sich durch den Subjektivismus, Konstruktivismus auf in einen reinen Spiritualismus. Der Materialismus lehnt den Geist ab und verliert sich im Geist. Er relativiert sich selber uns löst sich dadurch auf. (R. Steiner, Philosphie der Freiheit).

Weiter wäre das nicht so schlimm. Aber die Denkweise des Relativismus erlangt heute schon fast religiösen Charakter und ihre Wirkung im Alltag, wo Phrase, Routine und Konvention eine so gewaltige Kraft auf die Entwicklung des Individuums und der Gesellschaft ausüben. Durch die Relativierung aller Werte müssen die Menschenrechte von der Gesellschaft, der Weltgemeinschaft (UNO – Menschenrechtskonvention) von aussen normiert und gesetzt werden. Dem Individuum gibt man keine Möglichkeit, Werte als geistige Gegebenheiten und Wirklichkeiten zu erkennen und danach zu handeln, denn das sind ja blosse Vorstellungen, Konstrukte. Gegen das ‚Von aussen bestimmt werden‘ wehrt sich nun aber wiederum der organbestimmte Mensch. Es kommt zum Konflikt zwischen dem Subjekt und der Gesellschaft, in der die gegenwärtig politisch als gut befundenen Werte Gültigkeit haben und von ihr auch durchgesetzt werden müssen. Dies empfindet das Subjekt wiederum als Bevormundung und wehrt sich dagegen. Das heisst es wehrt sich dagegen, dass es nicht sich selbst bestimmend ein vollwertiges Glied der Gesellschaft sein kann. Was heisst das in Wirklichkeit? In Wirklichkeit heisst das, dass sich der Geist, der fähig ist zur Erkenntnis der Werte der Menschenwürde im Subjekt zu wehren beginnt. Er wehrt sich dagegen, dass man ihn dadurch verneint, dass man ihn als Konstrukt anschaut und damit igoriert und im Unbewussten lässt, wo er unkontrolliert und chaotisch zu wirken beginnt.

Wie entrinnen wir denn dieser Falle? Beachten wir, dass die Beobachtungen der Naturwissenschafter doch sehr genau sind und aus ernsthafter Arbeit resultieren. Es gibt keinen Zweifel daran, die Beobachtungen die unter aufwändigsten Forschungen gemacht werden, sind richtig. Nur ihre Interpretationen sind falsch oder sie greifen zu wenig tief und zu wenig weit.

Wir müssen uns fragen, wie denn überhaupt eine Vorstellung zustande kommt. Dazu müssen wir einen kleinen Exkurs in die Entwicklungspsychologie machen. Das neugeborene Kind hat gemäss den Forschungen die Martin Dornes in seinem Buch „Der kompetente Säugling“ schon ein dumpfes Selbstempfinden. Edelmann/Tononi bezeichnen dieses dumpfe Selbstempfinden als Mentalebene I. Man kann hier noch nicht von wachem Selbsbewusstsein reden, da die Reifung des Säuglingsgehirns noch nicht so weit gediehen ist, dass er sich Vorstellungen bilden kann, was eine Vorbedingung für ein waches, reflexives Bewusstsein ist. Mit dem Tasten, den Reflexausbildungen, dem Kopfheben, Drehen, Rollen, Aufsitzen, Greifen von Gegenständen, Aufstehen, Gehen und Plaudern schult sich der kleine Wicht in seinen sensomotorischen Fähigkeiten. Hier entsteht unter anderem eine Wechselwirkung zwischen der motorischen Koordination und dem Gehirn über das pyramidale Nervensystem. Dornes spricht hier vom primären, sensomotorischen Denken. Der Säugling und das Kleinkind denken sozusagen mit und in den Extremitäten. Über das pyramidale Nervensystem bildet sich ein Teil des Gehirns aus, der zur Grundlage für das Sprechen wird. Das Gehirn des Neugeborenen ist noch fast ganz unberührt, ungeformt. Vergleichen wir es mit einer frisch geschneiten Schneedecke. Durch die Auseinandersetzung mit seinen engsten Bezugspersonen und seiner hochsensiblen Psychomotorik werden erste Spuren in den Schnee getreten. Was sich da im Physischen abspielt ist das Korrelat zu den geistigen Vorgängen, die wir späterhin genauer betrachten wollen. Es ist ja auch zu sagen, dass wir versuchen wollen, die Resultate der naturwissenschaftlichen Forschung zu verstehen und versuchen, sie in einen geistigen Zusammenhang hineinzustellen. Denn tun wir das mit dem modernen Bewusstsein nicht in der Art, so werden wir uns bald eingestehen müssen, dass wir geistige Zusammenhänge bloss glauben und kaum richtig verstehen und deuten können.

Das erste Denken ist also das sensomotorische Denken. Der Mensch hat dies mit den höheren Säugetieren, vor allem mit den Primaten gemeinsam. Die Primaten halten in der Entwicklung bis zu einer gewissen Geschicklichkeit auf der Mentalebene I mit, was die Koordination und das konditionierte Lernen anbelangt. Ein zweiter Schritt in der ontogenetischen Entwicklung (der Entwicklung des Individuums) ist das bildhaft – symbolische Denken, was eine Vorstufe zum Denken auf Grund von Vorstellungen ist, das heute etwa mit 18 Monaten beginnt. Da beginnt das Kind nach dem Spracherwerb von sich als dritte Person zu sprechen und je nach Entwicklungsbeschleunigung bildet es dann die Ich-Vorstellung, das heisst das Subjekt – Objekt - Bewusstsein zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr aus. Heute ist dies eher früher als später der Fall. Wir sprechen ja von einer Akzeleration (Beschleunigung in der körperlichen Reifung der Jugendlichen im Vergleich zu früher) in der Entwicklung des Menschen. Im Verlauf der letzten hundert Jahre hat sich so vieles, so sehr beschleunigt.

Was hier ontogenetisch geschildert ist, spielt sich in der Phylogenese ebenso ab. Die Menschenvorfahren der verschiedenen Stufen entwickelten ebenfalls ein sensomotorischen Bewusstsein, das sich nach und nach in ein bildhaft-symbolisches verwandelte. Die Höhlenzeichnungen der Crô – Magnon Menschen im Dordogne Tal sind grossartige Zeugen vom bildhaft-symbolischen Denken als Übergang zum vorstellungshaften Denken der sich historisch belegen lässt durch das Studium des vorsokratischen Philosophen Pherekydos von Syros (6. Jh. v. Chr.), der noch hinneigt zur bildhaften Symbolik, die dann über Sokrates, Platon ins lebendig begriffliche Denken und dann bei Aristoteles ganz ins genau beobachtende vorstellungshafte Denken hinein verschwindet.

Die Denktätigkeit verinnerlicht sich von den der begreifenden Greif - Motorik der Füsse, Beine, Hände und Arme übers gefühlsmässig, bildhaft – symbolische Wahrnehmen (Mythologien, Sagen, Märchen) zum vorstellungsbewegenden Denken, den Denken auf der Mentalebene II. Das sind unsere zu Vorstellungen geronnenen Erkenntnisse auf Grund von Wahrnehmungen, begleitet von Ereignissen und Erlebnissen, den sogenannten Konnotationen.

Im sensomotorischen, d.h. primären Denken lebt der Mensch träumend-schlafend ganz in der Natur- und in der lebensvollen Naturgesetzlichkeit seiner Erlebniswelt darinnen. Im bildhaft-symbolischen Denken hat er einen traumhaften Abglanz von seinem Erlebnisbereich. Er ist ganz offen, er ist ein einziges offenes Sinnesorgan, in das praktisch ungehindert einströmt, was auf ihn zukommt. Über pädagogische Konsequenzen in Bezug auf diese Erkenntnis müsste gesondert gesprochen werden.
Seinen Eindrücken gemäss formt sich auch das Gehirn. Es ist dies also ein Wechselspiel zwischen dem sensomotorischen Gliedmassen-Denken (dem Greifen und Begreifen) und dem Zentralen Nervensystem, das seine Spuren im Plastizieren des Gehirns hinterlässt.

Dass das Denken ein geistiger Prozess ist, streitet heute selbst die Gehirnforschung nicht mehr ab. Nur ist bei ihr das Denken das Resultat materieller Prozesse. Sie sagt also, dass und wie aus Materie Geist entsteht. Die Beobachtung bestätigt aber genau das Gegenteil, nämlich, dass das Denken als geistiger Prozess in der Natur lebt und sich durch die Gehirnentwicklung verinnerlicht. Der Weg führt von den Gliedmassen zum Gehirn. Der Denkwille inkarniert sich, fleischt sich sozusagen ein. Das heisst, er zieht ins Fleisch ein und wirkt da verhältnisschaffend zwischen den Reizen aus der Aussenwelt und jenen der Innenwelt. Das was er früher beim Säugling unbewusst tat, tritt als Vorstellung ins Bewusstsein. Er selber liegt der Vorstellungsbildung zu Grunde ist ist uns vorerst unbewusst.

Wir können das die Verinnerlichung des Denkens als Tätigkeit nennen. Dies in Abgrenzung zur Ansicht, dass das Denken ein automatisches, sich selbst organisierendes Aneinanderreihen von Vorstellungen sei, durch das unser Bewusstsein zufällig zustande komme und damit relativ und subjektiv sei.

Die Denktätigkeit, die zuerst in den Gliedern schlafend und träumend lebt und über das träumende Bewusstsein zum aufwachenden Bewusstsein ins Gehirn einzieht, ist das primäre Denken. Das Denken auf Grund von Vorstellungen können wir das sekundäre Denken nennen. Es legt sich wie ein Schleier über die Denktätigkeit und diese behält ihren unbewussten Charakter und kann erst im Durchbruch durch das wache Denken in Vorstellungen, als im Durchbruch durch die Mentalebene II als Tätigkeit bewusst werden. Das Bewusstwerden der Denktätigkeit als Wille und als Wahrheitsgefühl, die mein ureigenes geistiges Menschsein ausmachen, können wir als Durchbruch zur Mentalebene III bezeichnen.

Das vorstellungshafte Denken hat in der Tat den Charakter eines Konstruktes, das rein subjektiv geprägt ist. Da stimmen die Beobachtungen der Gehrinforscher mit jenen des Denkers über das Denken überein. Es ist die Ebene, auf der das Denken von den Vorstellungen geführt wird. Es ist die Mentalebene II die Ebene der Verstandes und Gemütsseele. So wie das sensomotorische, unbewusste, primäre Denken zur Mentalebene I gehört, was wir als Empfindungsseele bezeichnen. Der Druchbruch zum Bewusstwerden des primären Denkens zu unserem wirklichen, schaffenden geistigen Ich - bin, im Gegensatz zum vorstellungshaften Ich – bin – es, in dem wir nur ein Abbild dieses schaffenden Geistwesens Mensch haben, wird dadurch erreicht, dass wir beginnen die Vorstellungen durch den Denkwillen zu führen. Das ist der Durchbruch zur Mentalebene III, zur Ebene der Bewusstseinseele. Des Bewusstseins dessen, dass wir als Menschen geistige, ich-tätige Wesen sind, die die Kraft zur Bewusstwerdung in sich tragen und sich selber in einer wirklichen Welt als reale Wesen, sich selbst bestimmende, mündige Wesen empfinden dürfen.

Damit haben wir im Denkwillen das schaffende Prinzip, das Gestaltungsprinzip des Menschen erkannt. Durch ihn können wir in der Aussenwelt die Gesetzmässigkeiten der gewordenen Dinge, der anorganischen und der organischen, erkennen und benennen, ebenso wie wir die Innenwelt der Gefühle, Triebe und Begierden erkennen und benennen können. Dadurch dass wir die Begriffe der Aussen – und Innenwelt erfassen und die Ideen, die darin wirken, erkennen können, sind wir ihnen nicht ausgeliefert. Der Systemtheoretiker bezeichnet unseren Denkwillen als ,das Bewusstsein schaffendes Prinzip‘, das autopoietische Prinzip, das in der Wechselwirkung des Teils mit dem Ganzen und des Ganzen mit dem Teil die Materie aus sich heraus selbsttätig organisiert. Da dieses Prinzip seiner Ansicht nach nicht erkennbar, also transzendent ist, nennt er es ,die Informationslücke‘.

Zur Frage, ob es wirklich nicht möglich sei, die Objekte um uns herum als Wirklichkeiten zu erkennen, ist ein weiterer kleiner Gedankengang nötig:

Damit etwas in unser sinnliches Wahrnehmungsfeld treten kann, muss es aus einer wie auch immer gearteten Substanz, bzw. Stofflichkeit bestehen. Diese kann in keiner Art und Weise ohne eine bestimmte Form, bzw. Gesetzmässigkeit oder Idee auftreten. Diese Gesetzmässigkeit setzt sich in ein dynamisches Verhältnis zur Materie. Da haben wir in allem was überhaupt sein kann diese Dreiheit: Stofflichkeit, Idee, bzw. Gesetzmässigkeit oder Form und Verhältnis.

Wenn wir etwas wahrnehmen, kann es nicht anders als in dieser Dreiheit auftreten. Wir nehmen die Form des Objekts wahr, diese kann unseren Sinnesorganen nur in irgendwie mineralisierter/materialisierter Gestalt entgegenstehen. Wir tasten diese sozusagen durch unsere Sinnesorgane ab. Wir werden nicht erkennen können was für ein Gegenstand uns entgegensteht, wenn wir nicht seine Gesetzmässigkeit erkennen. Denken sie an einen Würfel, einen Salzkristall, ein Glas oder an irgendein beliebiges Objekt. Wir können es nicht erkennen, wenn wir nicht seine ihm innewohnende Gesetzmässigkeit durch den Denkwillen erfassen. Die Gesetzmässigkeit ist mit dem Gegenstand gegeben. Sie ist universell gültig. Auf der ganzen Erde, ja im ganzen Kosmos ist ein Würfel ein Würfel mit seiner Gesetzmässigkeit. Die Frage ist, ob sie von allen Wesen des Kosmos als solche erkannt werden kann. Aber insofern sie als solche erkannt wird, existiert der Würfel auch für dieses Bewusstsein. Die universelle Form, Idee, Gesetzmässigkeit hat sich an der Wahrnehmung des erscheinenden Würfels individualisiert und im erkennenden Menschen ist ein individualisierter Begriff entstanden. Man kann dies auch eine Vorstellung nennen.
Das konstituierende Prinzip also, das der Erscheinung des Würfels zu Grunde liegt ist die Idee oder die Gesetzmässigkeit oder die Form des Würfels. Diese ist geistiger Natur und real gegeben, sonst könnte es keine in der Welt der Materie erscheinende Würfel geben. Damit haben wir die Idee als das konstituierende Prinzip des in der Materie erscheinenden Dinges erfasst. Sie ist das autopoietische Prinzip des erscheinenden Dings. Der Systemtheoretiker sagt von ihm, dass es die Informationslücke sei, denn der Würfel organisiere sich auf Grund der Wechselwirkung der Atome im Atomgitter, am Beispiel des Salzkristalls durch die Na+ und Cl- Ionen auf zufällige Art und Weise aus der Materie heraus.

Wir sehen, dass wir durch den Denkwillen (der individuell ist oder sagen wir ruhig, der ,vom Subjekt ausgehend‘ ist) die Idee, die Gesetzmässigkeit erfassen können, die universell gültig ist. Im Erkenntnisprozess wird uns der Würfel bewusst, im Bewusstwerden wird das Gegebene für uns erst Wirklichkeit. Damit ist aber gezeigt, dass die Wirklichkeit subjekt – allgemein oder individuell – universell ist. Im Erkenntnisprozess haben wir an der Wirklichkeit Anteil, obwohl jeder Mensch seinen individuellen Denkwillen in sich trägt.

So können wir sagen, die Erkenntnis der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion und die wahre Kommunitkation des Menschen, d.h. in der Ideen-Erkenntnis sind wir mit den anderen Menschen durch die Welt des Geistes verbunden, so wie wir mit der Welt der Materie verbunden sind. Wir stehen im richtigen Verhältnis zur Wirklichkeit.

Die Ideenerkenntnis, die unmittelbare Einsicht in den gesetzmässigen Zusammenhang, ist das Aha – Erlebnis. Es löst in uns die Freude des Erkannthabens aus. Wir erleben uns in der Evidenz als wirkliches Ich in einer wirklichen Welt. Das gibt uns eine innere Haltung, aus der heraus wir der Welt und den Menschen begeistert und voller Hoffnung entgegentreten können. Aus dieser Haltung heraus sind wir mündige Menschen, die der Situation angepasste Lösungen finden können und die nicht von staatswegen kontrolliert werden müssen, ob sie ihre Bürgerpflichten erfüllen oder nicht. Aus der Haltung der Ideenerkenntnis heraus, erkennen wir die Würde des Menschen und verstehen, dass die Uno – Deklaration der Menschenrechte nicht eigentlich eine Norm sein kann, die sich je nach der guten politischen Ordnung verändert. Die Menschenrechte können nur aus der Ideenerkenntnis von Freiheit, Gleichheit und Brüdelichkeit heraus in jedem einzelnen Menschen dauernd verwirklicht werden. Alles was von aussen als Norm und Konvention an den Menschen herangetragen wird, ist so wenig von Dauer wie die Paradigmen der Wissenschaft.