Donnerstag, 11. Oktober 2007

Das alte und das neue Europa

Die Rolle Europas

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Die Frage nach dem „alten“ und dem „neuen Europa“ ist spätestens im Vorfeld des dritten Golfkrieges (Krieg gegen den Irak, 2003) aktuell geworden. Wer sich nicht vorher schon Gedanken darüber gemacht hat, wie die Vergangenheit Europas in einem Verhältnis zu seiner Zukunft betrachtet werden kann, konnte durch diese Bemerkung Donald Rums­felds aufgeweckt werden. Keineswegs klar ist es jedoch, was er mit seiner Äußerung unter „altem Europa“ und unter „neuem Europa“ zu jenem Zeitpunkt verstand und was er damit sagen wollte. Er konnte damit bestimmt nicht das kriegerische Europa zu Beginn und zum Ende des 19. und jenes vor den zwei Weltkriegen des 20. Jahrhunderts gemeint haben, denn dieses Europa hätte sich wohl seinen Macht- und Hegemoniebestrebungen kriegerisch gegenübergestellt, was in unserer Zeit undenkbar ist. Er kann auch nicht das Europa des kalten Krieges gemeint haben, das in ständiger Bedrohung durch die Supermacht UdSSR froh und dankbar war für den Atomschirm, den die USA über Westeuropa hielten. Denn dieses Europa war den USA dadurch ebenso verpflichtet, wie durch den wirtschaftlichen Aufbauplan nach dem zweiten Weltkrieg (Marshallplan). Wer sich länger darüber Gedanken macht, kommt darauf, dass er das Europa der Gleichgewichte gemeint haben könnte, das Europa der Kunst der Vermittlung zwischen Staaten, die durch sich widersprechende Interessen in Konflikt geraten. Das Europa der Diplomatie, das nach dem Wienerkogress im 19. Jahrhundert doch für kurze Zeit eine friedliche Entwicklung zwischen den sich bildenden Nationalstaaten ermöglichte. Nehmen wir an, er machte sich über diese Art von „altem Europa“ lustig und er lobte das „neue Europa“ der Mitmacher beim Irak-Krieg als jenes Europa, welches den USA und ihrem Hegemoniebestreben kritiklos und hörig nachfolgt. Es war ein merkwür­diger Augenblick der Geschichte, als ersichtlich wurde, auf welche Art allen voran Großbritannien, dann Italien, Spanien, Polen, Portugal, Albanien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Georgien, Island, Lettland, Litauen, Mazedonien, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, die Ukraine und Ungarn als europäische Länder in die sog. „Koalition der Willigen“ eintra­ten. Und dies zum großen Teil entgegen dem Willen der jeweiligen Bevöl­kerung. Es ist dies ein seltsames historisches Phänomen, das zeigt, wie die USA auf diese Art den Willen der UNO unterlaufen konnten und sich damit die Legitimation zum Präventivkrieg gegen den Irak selber gaben.

Das „neue Europa“ das an der Koalition der Willigen teilhatte, sah sich nach dem zwischenzeitlichen Erfolg des „Sieges“ gegen den Irak in seiner Haltung bestätigt. Aber das Erwachen zur Selbstbesinnung und damit zum Verlassen dieser fragwürdigen Koalition kam bald, als sich der Krieg mehr und mehr in die Länge zog. Wer vermag es, heute das Ende dieses Krieges und des Elendes im Irak abzusehen.

Durch den Verlauf der Kriege im Irak und in Afghanistan und durch das Durchsickern der wirklichen Hintergründe, die zu diesen Kriegen geführt haben, wurde erreicht, dass der Vorwand, sich des Terrors entledigen zu wollen, sich immer mehr als strategische Planung zur Hegemonie im Na­hen Osten und in Zentralasien entpuppte.

Welche Rolle spielen aber dabei das „alte“ und das „neue Europa“? Welches Europa wird sich zu einer Kraft entwickeln, zu einem wirklich neuen Europa, welches nicht in einer Koalition der Willigen einer weltwei­ten Führungsmacht gehorsam zu folgen hat? Wird es ein Europa sein, das die Menschenrechte nicht der gerade herrschenden politischen „guten Ordnung“ entsprechend anpasst und Entführungen von Verdächtigen in geheime CIA-Gefängnisse zulässt und auch unter der sug­ge­rierten Angst vor dem provozierten Terror auch mal ein „bisschen“ foltern lässt, wie dies die weltweit einzige Supermacht USA praktiziert. Diese Fragen wollen der Möglichkeit eines selbständigen Europas und dessen Rolle, die es im weltweiten Kräftespiel einnehmen könnte, nachgehen.

Es soll, gegeben durch die historischen Phänome, auch untersucht werden, ob es nicht Gesetzmäßigkeiten der sozialen und staatlichen Entwicklung gibt, die berücksichtigt sein wollen, wenn man von einer gesunden gesellschaftlichen Evolution sprechen will. Dies soll unter drei Aspekten geschehen:

- Individualisierung und Emanzipation des Menschen.

- Notwendige Grundlagen zum sozialen Zusammenleben.

- Größtmögliches Wohl einer Gesamtheit von zusammen­arbei­tenden Menschen
innerhalb von staatlichen Gebilden.

Der Begriff „altes Europa“ kann dann nicht mehr in der Form gebraucht werden wie oben charakterisiert. Unter dem „alten Europa“ wird die geschichtliche Entwicklung bis zur Französischen Revolution Ende des 18. und zur Industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts und dem, mit dem Ende des Ersten und des Zweiten Weltkrieges vollendeten, totalen Umbruch der Geschichte Europas verstanden. Das ist der Zeitpunkt, zu welchem die USA in die Geschicke Europas eingriffen. Dieser Umbruch hält bis heute an. Der Blick in die Zukunft betrifft ein Europa, das seine vollständige Eigenständigkeit und seinen Gleichgewichts­cha­rakter zwi­schen Ost und West erkennt und ihn als Aufgabe in der Ge­schichts­ent­wick­lung begreift. Die Hegemoniebestrebungen einer Macht wie der USA, die von einer bestimmten Elite geführt wird, kön­nen der Viel­falt der Menschheit nicht gerecht werden. Das künftige Europa hat die Aufgabe, diese Viel­falt in ihrer Bedeutung bewusst zu machen, zu pflegen und zu zeigen, dass nicht die weltweite Gleich­schaltung durch die im Demokratismus erstarrte Demokratie, die global durchgesetzt werden soll, die Lö­sung sein kann.

Billigflüge

Keine einfachen Rezepte

Wo liegen die Gründe stets zunehmender Aggression und Zerstörungswut in unserer Gesellschaft? Nicht allein der politische Ausdruck dieses Phänomens durch links- oder rechtsextreme Gruppierungen wirkt beunruhigend und verunsichernd in den Alltag. Die zunehmende Gewaltbereitschaft auf Pausenhöfen und in Klassenzimmern gegenüber Gleichaltrigen oder Erwachsenen lässt längst aufhorchen. Die jungen Menschen als Indikatoren des Gesundheits- oder Krankheitszustandes unserer Gesellschaft reagieren am schnellsten auf Störungen im zwischenmenschlichen oder staatlich-sozialen Bereich. Das Phänomen zeigt sich ebenso in den Fussballstadien und in den Discotheken.
Durch wirklichkeitsfremde, aus Statistiken und Prognosen erzeugte soziologische Konstrukte, durch welche die Gesellschaftsstrukturen verändert und der Zeit angepasst werden sollen, lässt sich das Bedürfnis der Kinder und Jugendlichen nach echter, wirklichkeitsgemäßer (eben nicht konstruierter!) Begegnung nicht erfüllen. Repression und Prävention auf der Grundlage wirklichkeitsferner Konstrukte haben keine Wirkung.
Die jungen Menschen empfinden sich nicht als die psychischen Konstrukte, als welche ihr Ich-Bewusstsein wissenschaftsgegeben bezeichnet wird, sondern als reale Wirklichkeiten, welche wahrgenommen und ernst genommen werden wollen.
Im unten aufgeführten Buch wird das gesellschaftliche Denken, das zur gegenwärtigen Situation geführt hat gründlich analysiert. In der Analyse kommt der Autor zum Schluss, dass einerseits wirklichkeitsfernes Denken letztlich zu Repression führt, ebenso wie zusammenhangloses Denken zur Unverbindlichkeit zwischen den Menschen führen muss. Beide Denkweisen der Erwachsenenwelt finden keinen Zugang zu den jungen Menschen. Ein Umdenken, das die Wirklichkeit des Menschen und der Welt erfassen kann, tut not. Denn durch ein solches Denken ist jeder Mensch erreichbar, es ist geradezu eine Grundvoraussetzung zu einer gesunden Entwicklung. Der Weg dahin ist im Buch eindrücklich dargestellt. Ebenso werden die Gründe ausgeführt, warum sich die postmoderne Gesellschaft mit Händen und Füssen gegen ein solches Umdenken wehrt.

Eine Schrift zu diesem Thema heisst: Wut, Chaos und Zerstörung. Gesellschaft und Ichbewusstsein. Erschienen im Grin-Verlag München. 2007. Autor: Fritz Frey